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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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war verreist. Ich hatte es bei einem Anruf in seiner Klinik erfahren und mich dann bei seiner Frau gemeldet.
    Bei der ersten Begegnung waren wir beide ein wenig verlegen. Wir küßten uns förmlich.
    »Du siehst schlimm aus«, sagte Laura. »Wenn dich Wolfgang so sieht, sperrt er dich gleich in sein Krankenhaus.«
    »Das habe ich befürchtet«, entgegnete ich. »Wo ist er?«
    »In Florida«, sagte sie. »Unterwegs mit Mrs. Donovan.«
    »Wer ist Mrs. Donovan?« fragte ich.
    »Seine wichtigste Patientin.«
    Ich betrachtete Laura genau. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Vielleicht war sie ein wenig fraulicher geworden, aber es konnte auch nur Einbildung von mir sein.
    »Und was macht Wolfgang jetzt mit seiner wichtigsten Patientin?«
    »Eigentlich nichts«, erwiderte sie. »Mrs. Donovan bildet sich ein, daß ihr Hautjucken vergeht, sobald Wolfgang ihr die Hand hält und gut zuredet.«
    Ich mußte lachen.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, daß eine auch noch so reiche Patientin den Grobian Wolfgang in einen Modearzt verwandeln könnte.
    »Natürlich flucht er wie ein Roßkutscher«, erläuterte Laura, »aber Mrs. Donovan ist zugleich die Kuratoriums-Präsidentin, die das Krankenhaus in New York verwaltet.«
    »Sonst geht's euch gut?« fragte ich.
    »Ausgezeichnet«, erwiderte sie.
    »Keine Klage?«
    Laura schwieg. Ihr Lächeln wirkte schwermütig. Daß ich sie vergessen hatte, erwies sich auf Anhieb als Illusion.
    »Du kennst doch Wolfgang«, sagte sie schließlich.
    »Eben«, erwiderte ich, »tagsüber bekommst du ihn nicht zu Gesicht, und nachts geht er vermutlich mit einer medizinischen Abhandlung ins Bett.«
    Laura sah mich voll an.
    »Und mit wem bis du ins Bett gegangen?« fragte sie. »Was hätte ich sonst tun sollen?« erwiderte ich.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Ich bin kein Mann. Ich bin eine Frau. Eine Frau wünscht sich, daß man vielleicht gelegentlich an sie denkt.«
    »Ich habe viel öfter als gelegentlich an dich gedacht«, sagte ich.
    »Aber dann ist mir Wolfgang eingefallen. Und dann habe ich daran gedacht, daß ich kein Schwein sein möchte.«
    »Ich auch nicht«, erwiderte Laura.
    »Bereust du, ihn geheiratet zu haben?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete sie.
    »Was hast du in New York gemacht?«
    »Eigentlich nichts.« Sie sah auf den Boden, dann betrachtete sie mich. »Es ist nicht mehr viel los mit mir«, sagte sie, »beruflich. Ich konnte nicht mehr richtig Fuß fassen, und schließlich hat mir Wolfgang geraten, weitere Versuche zu unterlassen.«
    »Würdest du ihn wieder heiraten?«
    »Das ist keine Frage, sondern eine Falle«, erwiderte Laura und wandte sich ab.
    Bis Wolfgang zurückkam – er kürzte seine Reise ab, als er von meiner Ankunft hörte –, ging ich Laura aus dem Weg.
    Der Freund nahm sich für mich einen Tag frei, aus dem dann doch wieder nur ein halber wurde; selbst an diesem blieb meine Gesundheit unser Hauptthema: »Ich bring dich mit einem Tropenspezialisten zusammen«, sagte Wolfgang. »Es ist dir doch klar, daß du etwas für dich tun mußt?«
    »Einverstanden«, antwortete ich.
    »Wer hat dich denn behandelt da unten?«
    »Ein Arzt aus Vietminh.«
    »Haben diese Burschen denn überhaupt Medikamente?«
    »Sie haben eine verdammt wirksame Arznei«, entgegnete ich, »den Haß.«
    »Der hilft doch wohl nur bei ihren eigenen Leuten.«
    »Vorwiegend und vorläufig«, versetzte ich.
    Wolfgang war erfreut, daß ich mich ohne Widerstand von seinem Kollegen behandeln ließ. Noch größer wohl seine Freude darüber, daß ich für seine Frau in Zeiten seiner berufsbedingten Abwesenheit einen Begleiter abgäbe.
    Wenn wir nichts dagegen unternähmen, wäre der Status quo nach der Hochzeit wieder erreicht. Ich diente, ein tauber Hausfreund, einer unschuldigen Verführerin, auf dem Weg von Kneipe zu Kneipe, Stunde um Stunde, im Kampf mit Zeit, Gelegenheit und Anstand.
    Ich erholte mich ganz gut, nahm wieder zu und begann zu arbeiten.
    »Sie haben doch schon Ihre Erfahrungen mit den Franzosen«, sagte der Auslands-Redakteur meiner Zeitung: »Algerien reizt Sie gar nicht?«
    »Wir können ja mal versuchen, ob man mich ins Land läßt«, antwortete ich.
    Ziemlich direkt war die französische Armee vom südostasiatischen auf den nordafrikanischen Kriegsschauplatz umgestiegen. Die Zeitung mußte gute Beziehungen haben. Ich erhielt umgehend ein Einreisevisum.
    Bevor ich fuhr, griff ich mir Wolfgang zu einer immer wieder verschobenen Aussprache.
    Ich fuhr in seine Klinik,

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