Auf dem Rücken des Tigers
Freiheit den Kampfgeist; auf der abendländischen hielt man seine Soldaten mehr mit sexuellen Bequemlichkeiten bei Laune. Die Offiziere waren keineswegs so sittenstreng wie ein Indochina-Befehlshaber, der seinen Sohn, um ein unerwünschtes Liebesverhältnis mit einer Anamitin zu beenden, zu einem Himmelfahrtskommando beordert hatte, wobei die Liebesnot prompt vom Heldentod beendet worden war. Man konnte den findigen General nicht mehr fragen, was er sich bei dieser Entwöhnungskur gedacht hatte; inzwischen war er selbst gestorben, an Krebs, dem Strohtod.
Zwei Tage vor Beginn des offenen Kampfes, dem beide Seiten entgegengefiebert hatten, wurde ich aus der umstellten Dschungel-Festung wieder ausgeflogen.
Ich reiste nach Manila weiter, gab dort meinen Report auf.
Bei meiner Rückfahrt wurde ich in Saigon von Major Martell, dem Mandarin, empfangen.
»Sie sind undankbar, mon ami«, sagte er.
»Mag sein.«
»Ich verschaffe Ihnen eine Sondergenehmigung für Dien-Bien-Phu und Sie«, er lächelte mit wissender Dümmlichkeit, »Sie umgehen unsere Zensurbestimmungen.«
»Jeder Beruf hat seine Gesetze«, antwortete ich.
»In diesem Fall handelt es sich um die Gesetze der französischen Militärregierung«, versetzte der Major. »Sie sind ausgewiesen.« Er reichte mir die Hand: »Sie haben Ihre story«, setzte er hinzu, »und mein Bedauern über diese Maßnahme.«
Ich hatte die Wahl, nach Amerika oder nach Europa zurückzufliegen, aber nach einigen vergeblichen Anläufen gelang es mir, mich als Zuschauer auf die andere Seite durchzuschlagen.
Als ich die Linien der Vietminhs erreichte, hatten sich gerade der ranghöchste Offizier und der höchstkommandierende US-Admiral auf einen Luftröhrenschnitt geeinigt, der Dien-Bien-Phu entsetzen sollte: die ›Operation Vautour‹.
Hinter dem Namen ›Unternehmen Geier‹ tarnten sich 60 Bomber des Typs B 29, die auf dem Flughafen Clark Field auf den Philippinen zum Einsatz mit Nuklearwaffen bereit standen.
Ihre Atombomben waren schon scharfgemacht, als eine Presse-Indiskretion den US-Senat warnte. Eine Mehrheit für das atomare Eingreifen Amerikas in den Kolonialkrieg begann sich trotzdem abzuzeichnen. Schließlich fielen dem Geier aus Angst vor einem Krieg mit China die H-Bomben aus den Krallen.
Die Franzosen gingen.
Die Amerikaner kamen.
Der Krieg blieb Südostasien erhalten.
Am Tag meiner Rückkehr in die Staaten brachten alle deutschen Zeitungen die Mitteilung, daß Hitler amtlich für tot erklärt worden sei. Man konnte sich ausrechnen, wie lange die deutsche Justiz, die sich elf Jahre Zeit gelassen hatte, dem Braunauer das Leben abzusprechen, brauchen würde, um seiner Trabanten Freiheit zu schützen.
Meine Rückkehr hatte über Gebühr auf sich warten lassen. Ich war an der Amöbenruhr erkrankt. Die kleinen Wechseltierchen mit den Scheinfüßchen hatten sich gründlich in meine Därme eingefressen. Ich litt an Dickdarmgeschwüren, wurde sie los, sollte als geheilt entlassen werden, als sich die Tropenkrankheit als chronisch herausstellte.
Ich verlor Zeit und Gewicht: ein Jahr und 30 Kilo.
Aber jetzt flog ich nach Amerika, zurück ins Leben.
Ich wollte weitere Genesung abwarten, bevor ich mich bei Wolfgang und Laura zurückmeldete, aber eine New Yorker Zeitung brachte eine Notiz über meine Rückkehr, deshalb mußte ich mich gleich bei ihnen melden.
Ich hatte die Freunde fast vergessen, aber die Stadt erinnerte mich rasch an sie.
Ein turbulentes Jahr näherte sich dem Ende.
Amerika verfügte über 35.000, Sowjetrußland über 15.000 Atombomben. In Deutschland fehlten jährlich über 6 000 Ingenieure. Amerika hatte einen landwirtschaftlichen Überschuß im Wert von 8,2 Milliarden Dollar. Das Durchschnittseinkommen des deutschen Bundesbürgers betrug 377 Mark, und Generale schickten sich in mehreren Ländern an, den Frieden zu verlieren: In den USA war soeben einer zum Präsidenten gewählt worden – in einem freien Land, in dem jeder zweite Neger nicht an die Urne zu treten wagte. In Frankreich lauerte einer auf die Machtergreifung und in Ägypten zündete ein Offizier den Suez-Konflikt. Russische Panzer schlugen in Ungarn brutal einen Aufstand nieder; ein Kardinal zog sich zum Leben in die Amerikanische Botschaft, der Papst zum Gebet in seine Privatkapelle zurück. Die Welt lief Sturm – im Wasserglas – und die Amerikaner schluckten erstmals über eine Milliarde Beruhigungs-Pillen.
Es war ein Zufall, daß ich Laura vor Wolfgang begegnete. Der Freund
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