Auf dem Schlachtfeld der Liebe
Nacht erwachte sie häufig, hörte Gespräche, die aus dem Nachbarzelt herüberdrangen, und glaubte, die
Stimmen ihres Mannes und seines Bruders zu erkennen. Irgendwo erklang weibliches Gelächter. Nicht nur im Norden folgten die Prostituierten den Truppen von einem Lager zum anderen.
Würde sich auch Jerome mit einer solchen Frau amüsieren? Wenn die Fronten auch klar gezogen waren - seine abweisende Haltung verletzte sie zutiefst.
Plötzlich erblickte sie die Umrisse einer hochgewachsenen Gestalt und unterdrückte einen Schrei. Jerome stand mitten im Zelt. Den Kopf gesenkt, schien er nachzudenken.
Sie rührte sich nicht. Nach einer Weile ging er zu ihr. Hastig kniff sie die Lider zusammen und stellte sich schlafend. Als sie die Augen wieder öffnete, war er verschwunden.
Am Morgen kam Brent zu ihr, von einem kräftig gebauten Sanitäter und einer vollbusigen Frau begleitet. »Das ist Maisie Darden. Während du mir assistierst, wird sie Jamie betreuen.«
Das Baby war soeben gestillt worden und schlief friedlich. Sobald Risa das liebevolle Lächeln der Frau sah, wußte sie, daß sie ihr den Jungen bedenkenlos anvertrauen konnte.
»Fühlst du dich dieser harten Arbeit gewachsen, Risa?« fragte Brent auf dem Weg zum Lazarett.
»Willst du wissen, ob ich bereit bin, das Leben von Rebellen zu retten?«
Er blieb stehen und schaute ihr in die Augen. »Ja.«
»Dazu werde ich mich mühelos durchringen.«
Kurz nachdem die erste Operation begonnen hatte, gesellte sich Jerome hinzu. Als Risa die Brüder Zusammenarbeiten sah, fragte sie sich, ob die beiden sie überhaupt brauchten. Doch sie wurde stets mit Aufgaben betraut.
Im Lauf des Tages lernte sie Brents Fähigkeiten schätzen. Ausführlich erklärte er seinen Assistenten, welche Maßnahmen er gerade ergriff und welche Instrumente er brauchte, und setzte die wenigen Narkosemittel, die ihm zur Verfügung standen, wohlüberlegt und sparsam ein.
Auch der kompetente Sanitäter erleichterte ihm die Arbeit.
Einmal konnte eine Klemme die Blutung eines Patienten nicht schnell genug stoppen. Da kletterte Risa auf den Operationstisch und übte mit ihrem Gewicht den nötigen Druck aus, bis die Klemme richtig saß. Bei Einbruch der Dunkelheit beendeten sie ihre Arbeit. Risa sank erschöpft ins Gras und beobachtete den Sonnenuntergang.
Verwirrt wandte sie sich zu Jerome, der neben ihr Platz nahm und ihr ein silbernes Fläschchen reichte. »Brandy?«
»Danke.« Sie ergriff die Flasche. »Willst du mich belohnen, weil ich heute keinen Rebellen umgebracht habe? Wie konntest du mir in diesem Lazarett trauen?« Sie nahm einen kleinen Schluck, dann gab sie ihm die Flasche zurück.
Auch er trank daraus und blinzelte in die sinkende Sonne. »Ich wußte, du würdest den verwundeten Soldaten nichts antun.«
»Oh ...« Neue Hoffnung erfüllte ihr Herz.
»Inmitten so vieler Rebellen hättest du keine Chance.« Gekränkt stand sie auf und ging davon.
Er folgte ihr, hielt ihren Arm fest, und sie glaubte, er würde sich entschuldigen. Aber er erklärte nur: »Morgen früh reisen wir weiter.«
»Wohin?«
»Nach Richmond.«
Anthony, Robert und Ricky blieben im Lager, um später zu ihren Einheiten zurückzukehren. Als Risa am nächsten Morgen vor einem Lagerfeuer stand und sich eine Tasse Kaffee einschenkte, kam Anthony zu ihr, um sich zu verabschieden. Nach der nächsten Schlacht würde er einen Monat Urlaub bekommen, erklärte er. Den habe er wahrlich verdient, da er seit dem Beginn des Krieges nicht mehr zu Hause gewesen sei.
Impulsiv umarmte sie ihn und wünschte ihm alles Gute. Erst ein paar Sekunden später, als er davonging, entdeckte sie Jerome, der an einem Baumstamm lehnte, einen Grashalm zwischen den Zähnen, und zu ihr herüberschaute. Wortlos kehrte er ihr den Rücken.
Den ganzen Tag hatte er wenig zu sagen. Während sie in einem Wagen nach Richmond fuhr, ritt er auf seinem schwarzen Rappen neben ihr her. Offenbar wollte er in der Hauptstadt mit Mallory, dem Oberbefehlshaber der Navy, seine künftige Position erörtern.
In der Nähe von Richmond beobachtete Risa irritiert die abgöttische Verehrung, die ihr Mann genoß. Immer wieder wurde er von Menschenmengen umringt, von Reportern mit Fragen nach seiner Gefangenschaft im Old Capitol, der Flucht und seinen erfolgreichen Aktivitäten als Blockadebrecher bestürmt.
Wie sie ihm widerstrebend zugestehen mußte, benahm er sich höflich und bescheiden. Vor allem die Kinder behandelte er sehr freundlich.
In der Stadt gab
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