Auf dem Schlachtfeld der Liebe
Sobald wie möglich wollte sie zurückkommen. Wenn ihr die Trennung von ihrem Vater auch in der Seele weh tat - sie brachte es nicht übers Herz, ihn mit der peinlichen Situation zu konfrontieren. Der Krieg bereitete ihm schon genug Sorgen. Eine Zeitlang hatte sie sogar erwogen, an Jerome McKenzie zu schreiben. Doch diesen Gedanken verwarf sie, denn er hatte ihr bei jener letzten verwirrenden Begegnung am Ufer des Bachs unmißverständlich klargemacht, daß sie Feinde waren und bleiben würden. Deshalb erschien ihr die Reise nach England als die beste Lösung. Dort lebten Freundinnen, die mit ihr zur Schule gegangen waren und ihr helfen würden, die Niederkunft diskret zu arrangieren, vielleicht irgendwo in Schottland. Und wenn der Krieg vorbei war...
Was dann? Irgendwie mußte sie die Existenz ihres Babys erklären. Konnte sie das Ende des Krieges abwarten, wenn er sich in die Länge zog? Ihr Vater liebte und brauchte sie. Sollte sie behaupten, sie habe eine Kriegswaise adoptiert? Würde Papa ihr glauben? Vermochte sie mit dieser Lüge zu leben? Mit diesem Problem wollte sie sich später befassen. Nun würde sie erst einmal nach England segeln.
Aber das Schicksal wollte es anders. Sobald sie die Lady Varina am Horizont erblickte, wußte sie, daß Jerome das Schiff kapern würde.
Captain Briggs war vor der schweren Fracht gewarnt worden, da sie die Manövrierfähigkeit seines Schiffs erheblich beeinträchtigte. Auch Lieutenant Waylon, der sich in Risa verliebt hatte, ahnte angesichts des berüchtigten Rebellenschoners, was geschehen würde.
Hastig brachte er sie in die Kapitänskajüte hinunter und versicherte, er würde alles tun, um sie von Bord zu bringen.
Captain McKenzie hielt sich bei der Eroberung des Schiffs an alle Gesetze ehrenwerter Kriegsführung. Höflich wurden die Offiziere in die Kapitänskajüte geleitet, wo sie vorerst - unter strenger Bewachung - bleiben sollten.
Das rote Haar unter einem Tuch verborgen, über eine Handarbeit gebeugt, erweckte Risa den Eindruck, sie wäre Waylons Frau, während Michael O'Hara die Kabine inspizierte und einige Waffen an sich nahm. Dann wurden die Gefangenen eingeladen, mit den Offizieren von der Lady Varina zu dinieren.
Waylon vergaß sein Versprechen nicht. »Zum Glück hat uns der Schoner nicht im Schlepptau. Nach Mitternacht fliehen wir, Miss Magee. Wir lassen ein Ruderboot an der Backbordseite hinab, das nur mehr mit einem Tau befestigt sein wird, da die Männer entsprechende Vorbereitungen treffen. Captain Briggs und ich begleiten sie. In diesen verkehrsreichen Gewässern müßte uns morgen früh ein Unionsschiff sichten.«
»Wollen Sie wirklich so ein Risiko eingehen und auf die Vorteile verzichten, die Ihnen die Kapitulation eingebracht hat?«
»Wenn Captain McKenzie Sie noch einmal gefangenhält, bringt uns Ihr Vater eigenhändig um, Miss Magee.«
Natürlich widerstrebte es ihr, Jerome zu begegnen, der ihren Zustand zweifellos bemerken würde, und so stimmte sie zu. »Wie Sie meinen, Lieutenant Waylon.«
Ein silberner Halbmond hing am Sternenhimmel und spiegelte sich in sanft bewegten Wellen. Seite an Seite glitten das Yankee-Schiff und die Lady Varina dahin. Michael O'Hara stand am Ruder des Unionsschiffs, während Mr. Douglas den Schoner steuerte.
Von Schatten verborgen, hielt Jerome im Bug der Lady Varina Wache. Zum Lohn für ihre Mühe an diesem Tag hatte die Besatzung ein Faß Rum erhalten. Nun schliefen die meisten Männer und träumten von ihrem glorreichen Sieg. Die Ärzte hatten alle Verwundeten versorgt, die Toten ihre letzte Ruhestätte im Meer gefunden.
Gegen Abend hatte Sully die Erlaubnis erhalten, seinen Freund Hal Smith, dessen Bein verletzt worden war, an Bord der Lady Varina zu besuchen. Sully kannte den Plan seines Captains und des Ersten Offiziers, in dieser Nacht mit einem weiblichen Passagier zu fliehen. Seit Stunden stand Jerome reglos an der Reling. Und dann sah er die dunklen Gestalten, die an Bord des Yankee-Schiffs zu einem der Ruderboote eilten. Mit leisem Plätschern sank es ins Wasser hinab.
Jerome ergriff ein Tau und schwang sich in eines der Boote hinab, die an der Lady Varina festgebunden waren. In einem zweiten Boot saßen Jeremiah Jones, David Stewart und Jimmy Meyers. Nur wenige Meter trennte ihn von den dreien. »Gentlemen, es ist an der Zeit«, rief er leise.
»Verdammt, der Mann ist Satan persönlich!« Captain Briggs hatte die Verfolger zuerst entdeckt. Erschrocken drehte Risa sich um.
»Unmöglich!«
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