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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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fallen
zu lassen. Immerhin kann sie ja nicht wissen, dass wir schon einen Hochwürden
mitgebracht haben, der die Bockbeinigen schnell bannen könnte.
    Schon nach
kurzer Zeit, wir müssen also nicht sehr lange in unseren nassen Sachen
herumsitzen, kommen Berge von Weißbrot, dick mit Schinken belegt und eine große
Kanne, aus welcher der Kaffee wunderbare Duftschwaden absondert. Die Menschen
am Camino kennen eben die Bedürfnisse von uns Pilgern. Wir aber wollen es jetzt
richtig gemütlich haben und dazu gehört, dass man in trockenen Kleidern dasitzt
und nicht friert. Also vor dem Kaffeegenuss erst mal runter mit dem ganzen
nassen Zeug, hier wird wohl nicht gleich jemand hereinkommen und sollte doch so
eine Art Columbus dieses verborgene Kaffeehaus entdecken, dann wird schon der
große Hund dafür sorgen, dass er gleich wieder abdreht und weitersegelt.
    Exakt auf
halbem Wege unseres Umkleidevorgangs, die nassen Sachen sind vom Körper, aber
die trockenen noch nicht dran, macht es dann plötzlich doch „knarz“ und —
verdammt — das Garagentor öffnet sich. Aber es ist nicht die Señora und auch
nicht der Dorfpfarrer; herein kommt, triefend vor Nässe, ein uns schon
bekannter spanischer Pilger. Vor etlichen Tagen, in der Herberge von Astorga,
war er nämlich wütend geworden, weil man ihn am Abend wegen Überbelegung nicht
mehr aufnahm und er davon überzeugt war, dass „hier wieder Touristen
herumliegen“, womit er „Pilger“ meinte, die mit Bus oder Bahn oder Pkw
unterwegs waren, während er, von León kommend, fast fünfzig Kilometer gelaufen
war.
    Aber jetzt
lacht er spontan über die Situation hier, die ja in der Tat für ein
öffentliches Kaffeehaus etwas ungewöhnlich ist und wir müssen natürlich hellauf
mitlachen und schon ist unsere Pilgerfreundschaft besiegelt. Ja, er werde sich
auch gleich umziehen, das sei fürwahr schrecklich mit den nassen Kleidern, aber
er müsse sich beeilen, denn die Señora würde auch ihm gleich Kaffee bringen, er
habe schon draußen im Hof, als er ankam, Kaffee bei ihr bestellt.
    Dann aber
wird es wirklich behaglich, wir plaudern, beißen in die Schinkenbrote,
schlürfen den heißen Kaffee und tauschen unsere Vornamen aus und er heißt
Antonio. Man sieht sofort, dass er zu jenen drahtigen, untersetzten Männern
gehört, vollgepumpt mit Energie und Lebenskraft, wie man sie in Spanien
häufiger als andernorts antrifft. So erfahren wir von Antonio, dass er schon
mehr als zwanzig Mal über den Camino gegangen ist, von Roncesvalles bis
Santiago, seit über zwanzig Jahren macht er das. Früher habe er dazu immer 25
Tage gebraucht, aber seit ein paar Jahren nehme er sich etwas mehr Zeit.
    Wir fragen
ihn, ob er das aus religiösen Gründen mache.
    „Nein, eigentlich
nicht. Ich bin religiös, aber deshalb muss ich nicht jedes Jahr über den Camino
gehen. Nein. Aber ich habe einen sehr unruhigen Beruf, ich bin Redakteur in
Madrid und hier auf dem Camino komme ich zur Ruhe, zu mir selbst. Das tut mir
gut. Einmal im Jahr“.
    „Aber dann
könntest du auch andere Touren machen.“
    „Ja,
natürlich, aber das hier ist etwas Besonderes, der Camino hat für mich eine
große Anziehungskraft. Das ist ein Weg der Geschichte und der Kultur. Und man
trifft immer wieder ungewöhnliche Menschen. Das gefällt mir, ich bin“, und da
lacht er, „sehr neugierig.“
    Von ihm
wollen wir natürlich noch mehr wissen, wie das früher, vor zwanzig Jahren war
und wie er über die Zukunft des Camino denkt. „Früher war das ganz anders. Es
gab nur wenige Herbergen und man musste schauen, wo man die Nacht über blieb.
Ich habe damals oft im Freien geschlafen. Manchmal war das sehr schön, aber oft
auch nicht. Man hat auch selten Pilger getroffen. Heute ist das alles
interessanter.“
    „Aber in
Astorga, da haben wir dich gesehen, zum ersten Mal, da warst du sehr böse.“
    „Ja“, lacht
er wieder, „ich bin öfters mal böse, wenn ich sehe, wer sich alles in die
Refugios mogelt und den Pilgern den Platz wegnimmt. Diese Leute haben keinen
Anstand.“
    „Wir haben
uns oft geärgert, dass man die alten Pilgerwege zerstört und diese Pisten
baut.“
    „Ach, alle
ärgern sich darüber, das ist eine Schande, was die alles zerstören, es hat da
schon viele Diskussionen gegeben.“
    „Warum
machen die das? Wir haben es nicht verstanden.“
    „Das ist die
Tourismus-Politik in unserem Lande. Man glaubt, man könne die Zahl der Pilger
noch wesentlich steigern, wenn man ihnen diese Pisten und moderne

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