Auf dem spanischen Jakobsweg
Herbergen
baut. Das Gegenteil wird der Fall sein, die wirklichen Pilger sind über diese
Sachen sehr enttäuscht, das wird sich in euren Ländern schnell herumsprechen.
Und das andere ist, dass schon jetzt Millionen jährlich mit dem Bus nach
Santiago fahren und man will ihnen das Gefühl geben, sie seien echte Pilger und
hofft, damit noch mehr Touristen anlocken zu können. Deshalb lässt man sie auf
den präparierten Pisten herumlaufen und manchmal sogar in Pilgerherbergen
übernachten und schon sind das Pilger. Das ist komplett lächerlich.“
„Aber
vielleicht ist der Massentourismus nach Santiago auch gut für Nordspanien, das
doch teilweise noch sehr arm ist“ wendet Tobias ein. „Natürlich, natürlich ist
das gut und wir brauchen diesen Tourismus. Aber muss man dafür die alte
Pilgertradition zerstören? Die Touristen haben ja keine Schuld an diesen
Dingen, es sind die Geschäftemacher. Compañeros, wartet noch zehn Jahre und
dann ist das alles nur noch Erinnerung.“
Brot und
Schinken sind gegessen, unser Kaffee ist getrunken und draußen scheint
tatsächlich wieder mal die Sonne. Wir holen unsere Señora und zahlen, der große
Hund, den wir nie gesehen haben, schweigt und wir ziehen mit Antonio weiter bis
Palas de Rei.
Regen,
Rotwein und Galgenhumor
Gestern, als
wir in Palas de Rei angekommen waren, wollten wir wenigstens frische Unterwäsche
kaufen, weil wir unsere alten, feuchten Sachen nicht mehr riechen können. Sehr
weit kamen wir auf unserem Einkaufsbummel allerdings nicht. Es wurde plötzlich
so dunkel, als bräche schon am Nachmittag die Nacht herein. Aber inzwischen
wissen wir die Zeichen am Himmel Galiciens zu deuten. Mehr im Galopp denn im
Bummelschritt erreichten wir, an einer abschüssigen Straße, eine Kneipe, in der
sich außer dem Wirt niemand aufhielt. Schon Sekunden später hatte der
Wolkenbruch dann freie Bahn, mit zunehmender Wucht, begleitet von Blitz und
Donner. Nun ist das nicht so schlimm, wenn man in einer Bar vor einem Glas Bier
im Trockenen sitzt und alles durch die Fensterscheiben beobachten kann. Doch so
schnell gibt Regenwasser in Galicien auch nicht auf. Nach einiger Zeit, das
elektrische Licht war plötzlich von alleine ausgegangen und der Wirt hatte eine
Petroleumfunzel angezündet, verschafften sich die Wassermassen doch noch Zugang
ins Innere der Bar, zwar nicht durch die Fenster, wohl aber durch die offensichtlich
nicht dichte Eingangstüre, an der inzwischen wahre Sturzfluten vorbeirauschten.
Als das Wasser schließlich unsere Wanderschuhe erreicht hatte, flohen wir auf
die Barhocker und waren fürs erste in Sicherheit.
Aber das war
alles nur ein Vorspiel auf den heutigen Tag. Es will draußen nicht hell werden,
weil sich dunkle Wolkenberge noch immer ausschütten, mal hemmungslos, dann
wieder etwas zurückhaltender, aber dann gleich wieder hemmungslos. Sollen wir
trotzdem losziehen oder sollen wir noch warten? Diese Frage beschäftigt heute
Morgen alle Pilger, die sich inzwischen im Vorraum der Herberge mit ihren
Rucksäcken versammelt haben. Viele sind wir ohnehin nicht und die meisten
kennen wir schon seit längerer Zeit. Al und Mike aus England sind da, zwei
junge Frauen aus Augsburg, die in León mit ihrer Pilgerreise begonnen haben,
aber seit Tagen tapfer durch den Regen laufen, und auch das zierliche Ehepaar
aus Frankreich sitzt hier. Aber Madame hat große Probleme mit dem rechten Knie
und muss seit einigen Etappen teilweise das Taxi benutzen, während er, einem
Wichtelmann ähnlicher denn einem Pilger, unverdrossen und ganz allein durch den
galicischen Regen patscht. Antonio, den wir gestern im Kaffeehaus unter so
kuriosen Umständen näher kennengelernt haben, ist trotz des Regens schon
aufgebrochen. Maurits schreibt Tagebuch, was er in jeder freien Minute tut und
wir haben ihn im Verdacht, dass er später ein Buch veröffentlichen würde und
wir dabei möglicherweise schlecht wegkommen könnten. Aber Heinz hat bei ihm
schon mehrfach um gut Wetter gebeten, was den „Lieben Gott“ dann doch immer zu
einem allerdings sehr hintersinnigen Lächeln veranlasste.
Von einem
der Herbergsbetreuer erfahren wir, dass Paolo gestern aufgegeben hat und mit
einem Taxi nach Santiago weitergefahren sei, er habe an den Füßen stark
geblutet. Dem Pilgerbuch können wir entnehmen, dass die beiden Männer aus
Kärnten, Peregrin — wie wir ihn nannten — und sein Gefährte, vorgestern hier
übernachtet haben. Die müssen heute in Santiago ankommen. Von
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