Auf dem spanischen Jakobsweg
Smaragden auf seinem
Turban nicht erweichen. Aber auch Jakobus hatte keine Lust, sich schon wieder
auf sein weißglänzendes Pferd zu schwingen, um diesen Mädchenhandel zu
unterbinden. Dennoch ging die Rechnung des hartherzigen Miramomolin nicht auf.
Denn urplötzlich stampften zwei wütende spanische Kampfstiere um die Ecke,
wirbelten den Staub der Meseta hoch, ein vom Himmel gesandtes Orchester
intonierte so etwas ähnliches wie „Auf in den Kampf“, worauf die Stiere auch
noch Feuer aus ihren Nüstern spien, um sogleich die maurischen Bösewichte auf
ihre Hörner zu nehmen. Da wollten sie fürderhin nie mehr etwas mit Jungfrauen
zu tun haben. Retter wie Gerettete wurden hier für alle Zeiten und auch allen
zur Warnung abgebildet.
Wir gehen
nachdenklich, vor allem aber auch sehr zufrieden mit diesem Ausgang, weiter und
kommen kurze Zeit später an die berühmte Fassade der Santiago-Kirche aus dem 12.
Jahrhundert mit einem außergewöhnlich beeindruckenden Figurenkreis über einem
Rundportal. Christus in einer Mandorla, also in einem mandelförmigen
Heiligenschein, mit den Evangelistensymbolen und umgeben von den Aposteln.
Christus als König des Himmels und der Erde, hoheitsvoll, majestätisch und
dennoch nicht entrückt, nicht überirdisch. Darunter ein Rundbogenportal mit
Figuren, die die Handwerke und Fertigkeiten des Mittelalters repräsentieren, zu
erkennen sind aber auch ein Gaukler, ein lesender Mönch und eine
Harfenspielerin. Auf den Kapitellen der Pfeiler, die das Portal tragen, sieht
man schließlich Greuelbilder, auf denen Menschen von Ungeheuern zerrissen
werden. Später laufen wir über die historische Brücke auf die andere Seite des
Flusses Carrión hinüber. Wir wollen noch das dort gelegene Kloster San Zoilo
besichtigen. Dieses Benediktiner-Kloster wurde schon im 11. Jahrhundert
errichtet, aber in der Zeit der Renaissance erheblich umgebaut und erweitert.
Im Anschluss an den spätgotischen Kreuzgang, der auch Elemente der Renaissance
trägt, stehen wir vor den Grabmälern von zwei Brüdern, den Grafen Diego und
Fernando von Carrión, jenen „Condes de Carrión“, die diesem Städtchen den Namen
gegeben haben, denn vor ihnen hieß es Santa María de Carrión. Auch hier stehen
wir wieder an einem Ort, wo auf wundersame Weise Geschichte und Legende
ineinanderfließen:
Diego und Fernando
sollen nämlich vor märchenhaft langer Zeit mit den Töchtern des spanischen
Nationalhelden El Cid verheiratet gewesen sein. Jenem Mann, der in dem
bekanntesten Heldenepos des romanischen Sprachbereichs, im „Poema del Cid“,
verewigt ist und der bis in unsere Tage die europäische Literatur, aber auch
Bühne und Film beschäftigt. Schon in Burgos waren wir in der Kathedrale vor
seinem Grab und am Río Arlanzón auch vor seinem Reiterstandbild gestanden. Was
auch immer sich um sein abenteuerliches Leben an Legenden ranken mag, sicher
ist, dass er schon zu seinen Lebzeiten zu einer Symbolfigur der Reconquista
geworden war.
Eigentlich,
sozusagen mit bürgerlichem Namen, hieß er Rodrigo Díaz de Vivar. Aber er war
kein Bürger, er entstammte dem kastilischen Hochadel und soll um das Jahr 1040
in Vivar nördlich von Burgos geboren sein. Nur wenige Jahre zuvor, wir haben es
schon in Burgos erfahren, hatte Kastilien unter Ferdinand I. dem Großen, das
alte Königreich León, in dem das noch ältere Königreich Asturien schon
aufgegangen war, übernommen und Kastilien war auf dem Weg, die führende Macht
der Reconquista zu werden. Da war so einer wie Rodrigo, der spätere El Cid,
genau in der richtigen Zeit und im richtigen Königreich geboren worden.
Schon als
Knabe gab er seinen Eltern wegen seiner Wildheit und Umtriebigkeit manches
Rätsel auf. Seine fromme Mutter konnte beten und fasten was das Zeug hielt, es
wurde immer schlimmer mit ihm. Auch sein Vater
saß stundenlang nachdenklich in der Turmstube. Nein, das würde kein Kirchenmann
werden, das war keiner, der auserwählt schien, mit sanftem Herzen und bebender
Stimme das Wort des Herrn zu verbreiten und dereinst als Heiliger der
Christenheit vom Firmament zu leuchten. Nein, dieser Wunsch, vor allem seiner
frommen Mutter, würde nicht in Erfüllung gehen, leider. Aber brauchte Kastilien
in diesen Zeiten nicht auch Raufbolde? Da waren die Mauren und da waren
benachbarte Königreiche und allesamt waren sie dem aufstrebenden Kastilien
nicht wohlgesonnen. Vielleicht konnte man ihn dereinst brauchen? Ja, doch, das
wäre etwas für ihn. So gab man Rodrigo
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