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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Piste wieder, die hier unmittelbar an
der Straße entlang nach Villalcázar de Sirga führt. Dort erfahre ich dann von
Tobias und einem Ehepaar aus Frankreich, dass sie entgegen der gelben
Markierung am Flüsschen Ucieza weitergelaufen sind und dass es sich um eine
besonders schöne Wegstrecke gehandelt habe. Unser Eindruck verstärkt sich, dass
am Camino teilweise von Leuten Weichen gestellt werden, die noch nie einen
Rucksack auf dem Rücken hatten, sich noch nie mit einem Pilger über seine
Bedürfnisse unterhalten und sich auch noch nie damit befasst haben, was den
Wesenskern des Pilgerns ausmacht. Mir fallen wieder die Erlebnisse ein, die
Hans Aebli, einige Dörfer vorher, nämlich in Población de Campos, hatte und in
seinem Buch schon vor etwa zehn Jahren beschrieben hat.

    In
Villalcázar de Sirga steht die beeindruckende Kirche Santa María la Blanca aus
der Übergangszeit von der Romanik zur Gotik. Umgeben von den niedrigen Häusern
eines Mesetadorfes, wirkt diese Kirche wie eine Burg, die hier eigentlich gar
nicht richtig hinpasst. Eine breite, steinerne Treppe führt auf den „Burghügel“
hinauf, auf dem die hohen, fast
abweisenden Mauern dieser mächtigen Kirche stehen. Das Portal ist von einem
Vorbau zeltartig ummantelt, von einem „Steingezelt“, wie es die Fachleute
nennen. Auch zwei Friese gibt es hier, im oberen sieht man Christus, umgeben
von seinen Aposteln und im unteren wird Maria von Königen und Heiligen
angebetet. Die Kirche ist offen und ich kann hineingehen. Drinnen, ich bin der
einzige Besucher, werde ich von einem dreischiffigen Kirchenraum aus der Gotik,
mit Pfeilerbündeln, Kreuzrippengewölben und einer Fensterrose, empfangen. Auf
dem Retabel des Hauptaltars ist die Leidensgeschichte dargestellt. In der
bekannten Santiago-Kapelle steht unser Heiliger mit Pilgerstab und
aufgeschlagenem Buch, mit Pelerine und Kürbisflasche. In dieser Kapelle
befindet sich, in sitzender Haltung an ein mächtiges Säulenbündel gelehnt, die
wundertätige, aus Stein gemeißelte Marienfigur Virgen Blanca, die „weiße
Jungfrau“, die der Kirche den Namen Santa María la Blanca gegeben hat. Auch
diese Figur wurde von Alfons X., dem Weisen, besungen. Wir waren ihm schon in
der Kirche Virgen del Manzano in Castrojeriz begegnet. In seinen Lobgesängen,
den „Cántigas“, berichtet er von zwölf Wundern, die diese Madonna vollbracht
hat. Eigenartigerweise soll sie auch Pilger, die schon auf dem Rückweg von
Santiago waren, von ihren Leiden geheilt haben. Da hatte ihr der Heilige
Jakobus wohl den Vortritt gelassen.

    Natürlich
war diese gewaltige Kirche nicht für das sie umgebende kleine Dorf gedacht. In
der Tat befand sich hier eine Komturei des Templerordens, und die Kirche selbst
diente als Grablege. So sind denn auch große Teile ihres Bodens im Querschiff
von interessanten Grabplatten bedeckt. Am beeindruckendsten aber sind zwei
Sarkophage in der Santiago-Kapelle, die mit den Skulpturen eines Mannes und
einer Frau verziert sind. Der Mann hält noch im Tod ein großes Schwert in
Händen, die Frau eine Frucht, vielleicht einen Granatapfel. Beide tragen lange,
faltenreiche Gewänder, die Frau hat ein Band vor dem Mund. Am meisten berühren
mich die Sarkophagwände, die die ganze Sterbegeschichte der beiden zum Inhalt
haben, das Sterben eines Paares aus dem kastilischen Hochadel im
Hochmittelalter.
    Bei dem
verstorbenen Mann handelt es sich um Don Felipe, der deutsches Blut in den
Adern hatte. Denn seine Mutter, wir sind ihr in Burgos begegnet, war Beatrix
von Schwaben und sein Vater somit Ferdinand der Heilige, der die Kathedrale von
Burgos hat bauen lassen und zum Helden der Reconquista wurde. Der Bruder von
Don Felipe war der spanische und auch deutsche König Alfons X., der Weise, von dem
wir schon so viel gehört haben, zuletzt vor ein paar Minuten an der
Madonnenstatue Virgen la Bianca, gleich nebenan.
    Aber auch in
dieser Familie soll es nicht nur heilig und weise zugegangen sein, vielleicht
wäre das auch ein bisschen langweilig gewesen. Die Frau, die hier in der
Santiago-Kapelle neben Felipe liegt, ist Doña Leonor Ruiz de Castro. Sie war
nicht die erste Frau von Don Felipe, da hat es vorher eine Blondine aus dem
Norden und eine leidenschaftliche Geschichte gegeben. Es ist in der Königsfamilie
auch noch von Bruderzwist, sogar von Brudermord unter Königskindern die Rede.
    Don Felipe
sollte, da die Königswürde auf seinen Bruder, den späteren Alfons den Weisen,
übergehen musste, ein Mann

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