Auf dem spanischen Jakobsweg
der Kirche werden. So wurde er schnell Abt in
Covarrubias. Doch da war noch mehr drin, Bischof von Valladolid, Erzbischof von
Sevilla. Aber im Jahre 1252 legte er plötzlich seine Abtswürde nieder und
heiratete bald darauf eine blonde Fürstin aus dem Land der Wikinger, nämlich
Christina, die schöne Tochter von König Haakonson aus Norwegen.
Manche
meinen, dass sogar König Alfons selbst, also der Bruder von Don Felipe, auf die
nordische Schönheit ein Auge geworfen hatte. Christina aber, eine
hochgewachsene junge Frau mit langen blonden Haaren, verliebte sich leidenschaftlich
in Don Felipe und auch der erlag ihrem fremden Zauber und beide heirateten.
Aber Glück und Tragik lagen hier eng beieinander. Christina starb kinderlos
schon nach wenigen Jahren. Im Kreuzgang des Klosters von Covarrubias, dort, wo
Felipe ihretwegen die Abtswürde aufgegeben hatte, liegt die arme Tochter König
Haakonsons begraben, einsam und weit entfernt von ihren heimatlichen Fjorden.
Im Jahre 1958 hat man ihre Gruft geöffnet und fand die Gebeine einer gut
gebauten Frau, die bei ihrem Tod etwa 26 Jahre alt war.
Don Felipe
aber heiratete später eben Doña Leonor, die hier neben ihm bestattet ist.
Was auch
immer die Gründe gewesen sein mögen: das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern
Alfons und Felipe war im Laufe der Zeit immer schlechter geworden und
schließlich war es sogar zu einer Verschwörung gegen Alfons X. gekommen. Doch
im Jahre 1271 starb Don Felipe unerwartet und Historiker mutmaßen, dass hier
sein Bruder, der König, die Hand im Spiel gehabt haben könnte.
Als ich aus
der Kirche Santa Maria la Bianca hinausgehe, regnet es. Die schwüle Hitze des
Vormittags ließ das schon erwarten. Deshalb gehe ich in die Bar gegenüber der
Kirche. Hier herrscht Hochbetrieb. Heinz und Tobias sitzen an der Theke, das
zierliche Ehepaar aus Frankreich ist da, sowie zwei spanische Pilgerinnen. Auch
Paolo, Alberto und Octavio mit ihrer Pilgerschwester aus Brasilien haben sich
zwischenzeitlich eingefunden. Alle trinken Zitronenlimonade oder „café grande“
und essen irgendwelchen Kuchen aus der Glasvitrine. Die Stimmung ist so gut,
dass man glauben könnte, der Dämmerschoppen habe schon begonnen. Die ganze Bude
gehört uns, die Musikbox dudelt und die Wirtsleute freuen sich, dass wir Hunger
und Durst und dass sie fröhliche Gäste haben. Albertos Bart ist seit
Roncesvalles ganz ordentlich gewachsen und Heinz erklärt ihm auf Deutsch, dass
jetzt endlich auch er wie ein echter „bandito“ aussähe, und alle verstehen
plötzlich Deutsch, es gibt ein großes Hallo und am meisten amüsiert sich
Alberto selbst. Doch dann kommt Paolos Stunde: Plötzlich spielt die Musikbox
Flamenco, Paolo erhebt seinen schweren, athletischen Körper und zeigt uns mal,
wieviel tänzerische Grazie in so einem mächtigen brasilianischen Kerl steckt.
Aber dann streifen wir alle unsere Regen umhänge über und laufen gemeinsam nach
Carrión de los Condes.
Geschichte
und Geschichten
Die
Verlassenheit der Meseta, die Stille und Einsamkeit der „Tierra de Campos“,
vermitteln den Eindruck eines Landstrichs geeignet allenfalls für
Kontemplation, für mystische Versunkenheit in Gottes Wort. Ein Land also, in
das man sich, als Mönch oder Nonne, als Eremit oder Eigenbrötler, vielleicht
sogar als resignierter Monarch zurückgezogen hat auf der Flucht vor einer
eitlen und bösen Welt. Aber ein solcher Eindruck täuscht. In diesen
Landstrichen hier sind in der alten Zeit menschliche Tugenden und
Leidenschaften exemplarisch aufeinander geprallt, sind Machtgier und Entsagung,
Liebe und Hass, Geduld und Fanatismus, Phantasie und Stupidität einprägsam in
Szene gesetzt worden. Jede Mauer, jede Brücke, jede Kirche, jedes Kloster und
jeder Palast in diesem Land, sie alle erzählen von menschlicher Größe und
Kraft, aber auch von Entsagung, Scheitern und Tod. Die Akteure von einst, die
hier in den Sarkophagen oder unter den Grabplatten liegen, sind nicht nur
Geschichte, sondern sehr oft auch Legende geworden. Geschichte und Geschichten,
Sagen, Legenden und Märchen fließen hier auf eine wundersame, geheimnisvolle
Weise zusammen, sind untrennbar miteinander verbunden und verwoben und gehören
zur Magie, die von diesem alten Pilgerweg ausgeht.
Das weite
Land der Meseta war wohl in alten Zeiten — viele Ruinen künden hiervon — nicht
ganz so menschenleer und verlassen gewesen wie heute, aber doch immer voller
Stille und Einsamkeit. Eine Steppe unter
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