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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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Winchelsea
    A Bristol, ou partout où l’on peut
    Le cœur commence à faiblir.
     
    Amène vite le canot, matelot
    Que nos pèlerins puissent s’y amuser un
peu
    Car quelques-uns gémiront
    Avant qu ‘il ne soit tout à fait minuit . 3 9
     
    Man braucht nicht mehr ans Lachen zu
denken,
    Wenn man sich nach Santiago einschifft.
    Für viele ist die Seefahrt eine Qual.
     
    Sobald man in Sandwich, in Winchelsea,
in Bristol
    Oder wo man sonst kann, an Bord geht,
    Wird das Herz wankend.
     
    Bootsmann, bring rasch den Kahn her,
    Damit unsere Pilger sich ein bißchen
ergötzen können,
    Denn einige seufzen schon, bevor es
Mitternacht ist.
     
    Am 18. März 1512 schifft sich in
Nieuport der Flame Jean Taccouen, Herr von Zielbeke und Großvogt von Comines,
auf einem Schiff von sechzig Tonnen nach Spanien ein. Er gestattet sich den
Luxus einer Kabine. »Ich rate niemandem«, so meint er, »ein kleines Schiff zu
nehmen, ohne zugleich eine Kabine für zwei Personen zu reservieren und sich mit
einem Vorrat an Brot, Butter und Käse sowie Getränk zu versehen [...], denn man
wird oft schlecht bedient.«
    Die weniger gut situierten Wallfahrer
müssen sich mit einer Art Holzrahmen begnügen, die man auf dem Oberdeck
installiert, allen Wettern ausgesetzt. Jeder Rahmen entspricht ungefähr den
Ausmaßen eines liegenden Mannes; bei großem Zulauf muß man sich damit abfinden,
sich zu zweit Kopf bei Fuß wie die Heringe in diesen Rahmen zu zwängen. Was das
Übrige angeht... In gewissen Ländern sind die Bootsbesitzer verpflichtet, die
restliche Nahrung über Bord zu werfen; nur so kann man sicher sein, daß sie
sich nicht an den Rationen der Passagiere bereichert haben.
    Das flämische Schiff lichtet am Montag,
dem 25. März, die Anker, macht halt in Portsmouth und segelt dann nach
Galicien. Auf der Höhe der kantabrischen Küste jedoch werden sie vom Wind »so
weit hinausgedrängt«, daß sie La Coruña nicht erreichen können. Eines der drei
Schiffe des Geleitzuges erleidet Schiffbruch; die beiden anderen werden weit
von ihrem Ziel entfernt nach Lissabon hinuntergetrieben, wo sie sich endlich im
Hafen in Sicherheit bringen.
    Der Umweg ist nicht uninteressant für
einen Wallfahrer, der die Welt sehen möchte: Jean Taccouen bekommt zum erstenmal
in seinem Leben Elefanten zu Gesicht und, was ihn noch mehr interessiert, einen
Sklavenmarkt von »Mauren aller Schattierungen«. »Ich sah, wie gut dreihundert
völlig nackte Sklaven vom Schiff heruntergetrieben wurden; sie bekamen zu essen
und zu trinken. Man gab ihnen gleich am Strand in der Sonne ganz weichen
Grießbrei in Becken, die sie dann auswuschen und die man wieder mit Wasser
füllte; die Sklaven knieten sich nieder und tranken wie das Vieh.« Nach
Abschluß des Verkaufs »läßt ihnen der neue Besitzer [...] um das Gesäß und vorn
ein Tuch anlegen und führt sie in sein Haus. Ich habe gesehen, daß man für
jeden acht- bis neuntausend Reales zahlte .« (Jean
Taccouen notiert unterwegs sorgfältig auf flämisch die Ereignisse und
Zwischenfälle; erst nach seiner Rückkehr macht er sich an eine schwierige
Übersetzung: »Ich habe aus dem Flämischen ins Französische übersetzt, eine
rechte Plage, ein wahres Kopfzerbrechen .« )
    Schließlich erreicht der Vogt von
Comines am Karfreitag, dem 9. April, Compostela; erbricht am Ostermontag wieder
auf, gelangt zu Pferd an einem Tag zum Hafen von La Coruña, schifft sich ein —
und muß acht Tage warten, bis sich ein Wind erhebt. Er erhebt sich auch
wirklich: »Wir hatten so guten Wind, daß wir schon in zehn Tagen in Nieuport
waren und am anderen Tag gesund im Gasthof. Gott sei gelobt !« 40
    Es waren also für Hin- und Rückweg kaum
mehr als vierzig Tage nötig, trotz des unfreiwilligen Abstechers nach Lissabon
und der Windflaute — ein Rekord in diesen Zeiten unsicherer Seefahrt, da die
Pilger zusammengepfercht, schlecht ernährt, seekrank und ihrer gewohnten
Wegmarken beraubt sind und nur sogenannte »trockene, heiße« Messen anhören
können: Man konsekriert an Bord keine Hostien, um dem Leib Christi einen
eventuellen Schiffbruch zu ersparen, oder auch, damit nicht etwa ein seekranker
Kommunikant die Hostie erbricht.
    An der französischen Küste geht man in
Seehäfen wie Dieppe, Nantes, La Rochelle oder kleineren Flußhäfen wie La
Roche-Bernard und Redon an der Mündung der Vilaine an Bord, alles recht rege
Häfen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. 41 Im Departement Morbihan
scheint der Hafen Saint-Jacques in der Nähe der

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