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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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göttliche Gnade fügt es, daß er, wie man erzählt, am Karfreitag
des Jahres 1137 ankommt, beichtet, kommuniziert und an den Stufen des Altars
selig stirbt.
    Das Verlangen nach dem Heil ist eine
wahre Besessenheit. Mit tiefer religiöser Leidenschaft betet der Pilger die
endlose Litanei der Wunder des heiligen Jakobus: »der du eine in die Handfläche
eines Büßers geschriebene Sünde vergeben hast, der du einen Pilger, welcher
zurückgeblieben war, um einem sterbenden Gefährten beizustehen, auf wunderbare
Weise mit seinen Gefährten wiedervereinigt hast, der du... der du...« Mit Leib
und Seele schenkt sich der Pilger hier am Ende seines Weges Gott, öffnet sich
der strahlenden Gewißheit ewigen Lebens. Wie könnte es anders sein? »In der
Tat,« so schreibt Aymeri Picaud, »hier wird den Kranken die Gesundheit, den
Blinden das Augenlicht, den Stummen die Sprache, den Tauben das Gehör, den
Lahmen der rechte Gang, den Besessenen die Befreiung zuteil, und es werden, was
noch mehr ist, die Gebete der Gläubigen erhört, ihre Hoffnungen erfüllt, die
Ketten der Sünde gesprengt, der Himmel denen geöffnet, die ihn bestürmen, den
Betrübten Trost erteilt, und alle fremden Völker aus allen Teilen der Erde
eilen in Scharen herbei und bringen dem Herrn ihre Gaben und ihr Lob dar. 9

    Und all diese Kranken, Blinden,
Stummen, Tauben, Lahmen, Besessenen, die Betenden, die Hoffenden, die in Sünde
Verketteten, die Himmelsstürmer, die Betrübten, die Fremden — sie werfen sich
zu Boden, kühlen ihre vom Wind glühende Stirn an den kalten Steinplatten und
weinen vor Ergriffenheit. Auch Christus hat geweint. Und die verzückte Menge
ergreift Talgkerzen, späht nach Zeichen, ruft nach Wundern und nähert sich dem
Altar, darunter der vollständig erhaltene Leib des glorreichen Apostels Jakobus
des Älteren ruht.
    Nachdem Christus die Erde verlassen
hatte, zogen die Apostel aus, um den Völkern die allen Geschöpfen verheißene
Frohbotschaft zu predigen. Jakobus dem Älteren, dem Bruder des Evangelisten
Johannes, wurde Spanien zugewiesen. Also predigte er dort, doch ohne Erfolg.
     
    Im 13. Jahrhundert schreibt Jacobus de
Voragine die Goldene Legende. Er erzählt darin, wie der Apostel Jakobus,
»als er sah, daß er nichts ausrichtete, und er nur neun Jünger hatte gewinnen
können«, zwei von ihnen an Ort und Stelle zurückließ und nach Jerusalem
zurückkehrte. Hier, im Land Christi, war es noch schlimmer: »Er bekehrte nur
einen einzigen Menschen .« Zu jener Zeit hörten die
Pharisäer auf die Zauberei eines gewissen Hermogenes, der seinen Schüler
Philetus schickte, damit er Jakobus beweise, »wie falsch seine Predigt sei«.
Jakobus jedoch bekehrte diesen Philetus.
    Da also Hermogenes den Philetus durch
seine Zauberei fesselte, Jakobus ihn aber durch seine Wunder befreite, rief
Hermogenes die Teufel zusammen; Jakobus trieb sie gegen Hermogenes zurück — und
gab ihm sogar seinen Pilgerstab, damit er sich künftig damit schütze. Daraufhin
brachte Hermogenes dem Jakobus alle Zauberbücher; man schleuderte sie ins Meer.
Dann warf er sich dem Apostel zu Füßen mit den Worten: »Du Befreier der Seelen,
nimm mich Reumütigen auf .«
    Die Juden waren von der Bekehrung des
Hermogenes tief ergriffen und begannen, Jakobus anzuhören; da befahl Herodes
Agrippa, den Apostel zu enthaupten.
    Auf dem Weg zur Richtstätte heilte
Jakobus noch einen Gelähmten und bekehrte einen Mann mit Namen Josias, »jenen,
der ihn am Strick um den Hals hielt und ihn führte«. Sie wurden beide zusammen
hingerichtet »am fünfundzwanzigsten Tag des Monats März«.

    Der Sohn des Zebedäus und Vetter
Christi ist tot, aber er wird zu einem ganz wunderbaren Leben auferstehen.
    »Als Jakobus enthauptet war«, so fährt
die Goldene Legende fort, »trugen seine Jünger den Leichnam aus Furcht
vor den Juden bei Nacht davon, legten ihn in eine Barke und überließen es so
dem Willen Gottes, wo er begraben werden solle. Sie stachen steuerlos in See,
fuhren, wie der Engel unseres Herrn sie lenkte, und gelangten nach Galicien, in
das Reich der Lupa .«
    Diese Lupa, »eine sehr schöne Königin«,
war arglistig und grausam. Als die Jünger zu ihr kamen und um einen
Begräbnisort baten, unterwarf sie sie einer Reihe von Prüfungen und
Beschwernissen, die sie nacheinander siegreich bestanden. Endlich »trafen sie
einen Drachen, der Feuer spie und auf sie zulief; sie schlugen das Kreuz über
ihn, und sein Leib barst mitten entzwei; ebenso machten sie das

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