Auf dem Weg zu Jakob
Ja, die Strecke hierher war nicht leicht, ständig musste ich schieben, Arme und Schultern schmerzen. Und so ein Erlebnis wie gestern am glitschigen Hang möchte ich auch nicht noch einmal erleben.
Und so folge ich dem Rat der Professoren. In Windeseile bin ich unten ist Astrain. Zu sagen ist über diesen Ort eigentlich nichts. Interessant ist höchstens, dass der Ort so heißt, wie der unter den Wandersleuten vielgelesene brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho seinen spirituellen Boten in seinem berühmten esoterisch anmutenden Werk „Auf dem Jakobsweg“ genannt hat, obwohl er selbst auf seiner Wanderung diesen Ort gar nicht passiert hat.
Die Abfahrt auf der ruhigen Straße ist berauschend, aber ich ahne, nein, ich weiß, dass ich die jetzt verlorene Höhe erneut gewinnen muss. Und nicht nur das.
Neben mir auf der N-111 rauscht der Verkehr samt Lastwagen mit nicht gerade geringer Geschwindigkeit an mir vorbei. Anfangs kann ich noch den Seitenstreifen nutzen, später wird der dann so schmal, dass ich auf die Fahrbahn angewiesen bin.
Ein Lieferwagen hält in einer kleinen Bucht. Ein kleiner, fettiger Mann steigt aus und stoppt mich. Er will mich und mein Rad mitnehmen, sagt er, schließlich hätte ich eine lange Steigung vor mir. Nie im Leben würde ich bei so einem Mitschnackertyp ins Auto steigen! Ich lehne sein Angebot dankend ab und steige wieder auf. Im selben Moment kommt zufälligerweise auch die Guardia Civil vorbei und vertreibt den Mann. Ich habe mich zwar nicht ernsthaft bedroht gefühlt, aber mir war das Auftauchen der Polizisten auch nicht unangenehm.
Die Guardia Civil wurde übrigens nach dem ersten Karlistenkrieg während der Regierungszeit von Isabella (1843-1868) gegründet, um die Reichen vor Räuberbanden zu schützen.
Ich trete fest in die Pedale. Die Straße steigt, und anfangs kann ich sogar noch fahren. Doch dann kommt die erste Verschnaufpause, in glühend heißer Sonne versteht sich. Dann die zweite, gefolgt von der dritten, dann wird geschoben. Die Pausen erfolgen in immer kürzeren Abständen, schließlich mache ich mehr Pause als Fortschritt. Inzwischen kriecht auch der Schwerverkehr hautnah neben mir. Nein, so hatte ich mir die Tour nicht vorgestellt. Ich wollte fernab vom Verkehr fahren. Das hier ist der Wahnsinn.
Meine leicht zugängliche Trinkflasche ist schon leer. Um an weitere Wasservorräte zu gelangen, müsste ich jetzt einmal kurz das Rad abstellen und die Packtaschen öffnen. Das geht hier aber nicht. Ich kämpfe mich weiter hoch. Die Dieselauspuffgase machen mich ganz schwindelig. Oder ist das die Hitze? Oder ist es die ungewohnte körperliche Anstrengung? Mein Mund ist trocken. Ich kämpfe mich weiter hoch, Meter für Meter. Einmal wird mir fast schlecht. Ich lehne mein Rad jetzt einfach an die Leitplanke. Ich ringe um Atem. Auspuffgase. Noch einen Schluck Wasser. Wenn die verdammte Sonne nicht so sengen würde! Ich habe doch ein Thermometer - na kein Wunder: 38°C! So etwas bin ich nicht gewohnt - habe ich mir gestern noch die Beine abgefroren, komme ich jetzt mit der Hitze nicht zurecht.
Es hilft aber alles nichts, ich kann hier nicht einfach stehen bleiben. Ich muss weiter, auch wenn es nur ganz langsam vorangeht. In der Ferne sehe ich zwei andere Radfahrer herannahen. Noch fahren beide, dann nur noch der eine, aber auch so langsam, dass er umhereiert. Sie bewegen sich langsam aber stetig, machen keine Pausen. Schließlich holen sie mich ein. Die beiden jungen Männer sehen wie zwei wüste Gestalten aus, die mich ein wenig an Piraten erinnern. Beide haben Kopftücher, und der eine trägt eine Sonnenbrille, aus der ein Glas herausgefallen ist. Sie stammen von der Costa Brava und fahren den Camino mit absolutem Minimalgepäck.
Endlich, und es scheint Ewigkeiten später, habe ich mir die Passhöhe erkämpft. Ich stehe im Schatten unter der Brücke einer Straße, die zum Gipfel hinaufführt, und trinke was das Zeug hält. Das muss mein vierter Liter sein. Mein letzter Apfel muss jetzt auch dran glauben. Über mir sehe ich leuchtendblauen Himmel und einer der Rotoren des Windparks, es könnte fast schön sein, aber der Verkehr donnert unvermindert vorbei ( Seite 70). Und dann tauchen auch plötzlich wieder die Professoren auf. Sie sind über den Camino hierher gefahren, nehmen aber jetzt die Straße, da der Pfad des Caminos auf der anderen Seite des Perdón nun doch zu steil für Räder ist.
Im nachhinein war ich wohl schlecht beraten, von
Weitere Kostenlose Bücher