Auf dem Weg zu Jakob
Puente la Reina zwei gut aussehende Hotels passiert habe, biege ich links von der Hauptstraße zur Pilgerherberge ab. Aber was ist hier los? Der gesamte Vorplatz ist als Wäschetrockenplatz umfunktioniert worden, und überall dazwischen liegen Pilger und dösen in der heißen Nachmittagssonne. In der Herberge scheint auch Chaos zu herrschen. Es liegen schon Matratzen direkt hinter der Tür im Flur. Irgend jemand schickt mich zum Pilgerbüro, das sich gegenüber der nahen Kruzifixkirche befindet. Drinnen treffe ich wieder auf Leute der deutschen Fußwandergruppe. Auch sie wollen sich einen Stempel für ihren Pilgerpass holen.
Dann bin ich an der Reihe. Noch dringender als den Stempel im Pass brauche ich ein Bett in der Herberge. Aber es sieht schlecht aus. Keine Chance, sie ist bereits mehr als voll. Ich solle es mal im Hotel Jakue versuchen und sagen dass ich Pilger sei, möglicherweise bekäme ich dort ein preisgünstiges Bett.
Ich fahre zum Hotel, zeige meinen Pilgerpass und frage nach einer günstigen Schlafmöglichkeit. Kein Problem, sagt die Rezeptionistin und drückt mir einen Schlüssel in die Hand. Ich müsse allerdings sofort bezahlen. Sie nennt die Summe, die in etwa der einer Übernachtung auf dem Campingplatz entspricht und erklärt mir dann noch, wo ich mein Fahrrad lassen kann, sodass es über Nacht auch sicher verschlossen ist.
Als ich anschließend in den Keller geschickt werde, merke ich, dass es sich hier um keinen Irrtum handelt. Im Keller befinden sich nämlich Schlafsäle für Pilger und der Schüssel ist für den Spind, in den ich nur mit Mühe meine Sachen verstauen kann - für einen einzigen Rucksack reicht der Platz aber allemal. Der Raum ist vollgestellt mit Etagenbetten. Es wuselt hier nur so von Leuten: ich höre Holländisch, Französisch, Spanisch und irgendwo auch amerikanisches Englisch. Während alle in ihren Sachen herumkramen, nutze ich die Gelegenheit zum Duschen.
Mittlerweile ist es früher Abend und ich spaziere in den Ort ( Seite 71). Noch einmal treffe ich auf die beiden „Piraten“ von unterwegs, die mittlerweile in ihren normalen Klamotten etwas ziviler aussehen.
Als erstes besuche ich die Iglesia del Crucifijo, die Kruzifixkirche. Sie stammt aus dem 13. bzw. 14. Jahrhundert und beherbergt ein interessantes Kruzifix, das aus einem Baumstamm mit schräg nach oben strebenden Verästelungen besteht, ähnlich der Form des Buchstaben „Y“. Höchstwahrscheinlieh hatten es Pilger aus Deutschland mitgebracht und der Kirche gestiftet. Die Kirche wurde auch von den Templern gegründet und nach Verbannung der Ordensmitglieder ließ man sie verfallen. Erst viel später, im 14. Jahrhundert, bauten Johanniter sie wieder auf und erweiterten sie um das Kloster und Hospital nebenan. Mich wundert, dass nur so wenige Leute in der Kirche sind. Und dunkel ist es auch, aber man kann gegen eine kleine Geldspende Lichtstrahler in Betrieb setzen. Ich mache das und finde, dass es sich durchaus lohnt.
Etwas weiter die mittelalterlich anmutende Hauptstraße Calle Mayor hinunter gelange ich zur Iglesia Santiago el Mayor. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert, aber es kam im 15. und 18. Jahrhundert zu Umbauten, und der klassizistische Turm wurde sogar erst 1772 hinzugefügt. Ich trete durch das tief gestaffelte romanische Portal ein und befinde mich in einem viel prunkvolleren Innenraum als in der Kruzifixkirche. Der Barockaltar glänzt nur so vor lauter Gold. Und einen hölzernen Jakob als Pilger aus dem 14. Jahrhundert, einen sogenannten Santiago Peregrino, gibt es hier auch.
Die der Santiagokirche gegenüberliegende Iglesia de la Trinidad mit Renaissancefassade sowie die Kirche San Pedro Apóstol zur Ehrung der Jungfrau von Puy schaue ich mir nicht mehr an, sondern schlendere einfach nur durch die engen Gassen mit den Geranien an den Balkonen. Am Ende der Calle Mayor gelange ich zur Brücke über den Río Arga, die dem Ort den Namen gegeben hat, die Puente la Reina. König Sancho Garces III Frau Doña Mayor oder ihre Schwiegertochter Doña Estefani, das ist historisch nicht ganz geklärt, hat diese schöne Brücke mit ihren sechs Bögen gestiftet, um den vielen Pilgern ein gefahrloses Überqueren des Flusses zu ermöglichen. Natürlich zog auch so eine gute und sichere Brücke die stets wachsende Pilgerzahl wie ein Magnet an, was wiederum positive Auswirkungen auf die Wirtschaft der Stadt hatte ( Seite 74).
War es damals die einzige Möglichkeit weit und breit, den Fluss zu Queren, gibt es
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