Auf dem Weg zu Jakob
Zariquiegui zur Hauptstraße hinabzufahren. Hatte ich bis Zariquiegui doch schon eine beachtliche Höhe gewonnen, hätte ich meine Kräfte besser eingesetzt, die restliche Höhe weiterhin auf dem Camino zu erschieben, zumal ich die Steigung an der Hauptstraße auch habe schieben müssen. Auf dem wunderschönen Camino wäre mir wenigstens der schreckliche Verkehr erspart geblieben und ich wäre dann an einer originellen, modernen Metallplastik ( Seite 67) vorbeigekommen, die eine ganze Pilgergruppe darstellt, wäre auf der ruhigen Straße entlang den Windmühlen bergab zu dem Punkt gerollt, an dem ich jetzt stehe, und hätte dabei noch den schönen Ausblick auf die Ebene von Puente la Reina genießen können.
Südlich der Perdón-Kette schließt sich die mittlere Zone Navarras an, u.a. mit der Tierra Estella, die eine Einheit aus Becken, Ebenen und Bergketten bildet. Die Ebenen des Südens unterliegen kontinentalem Mittelmeereinfluss, d.h. die jährlichen Niederschlagsmengen liegen bei 500 mm und die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 13°C. Man findet zwar noch die Vegetation der nördlicheren Zonen, also Eichen, Buchen und Tannen, jedoch trifft man jetzt immer öfter auf Steineichen, und die saftigen Wiesen werden zunehmend ersetzt durch Ödlandvegetation mit Lavendel, Thymian und Rosmarin. Das landwirtschaftliche Bild wird geprägt von Getreide und Futtermittelanbau, Industriepflanzen wie Sonnenblumen und Raps, aber auch Fruchtbaumplantagen und Gemüseanbau.
Hatte ich ursprünglich vorgehabt, heute bis zum Campingplatz von Mendigorria zu fahren, das sich 5 km außerhalb von Puente la Reina befindet, ändere ich jetzt meinen Plan und beschließe, keinen Meter weiter als Puente la Reina zu fahren, und das, bitte schön, auf ruhigen Nebenstraßen. Die N-111 ist Mord. Jetzt, wo es bergab geht, drehen auch die Lastwagenfahrer wieder voll auf und geben Stoff, dass man jedes Mal fast von der Straße gepustet wird. Zum Glück biegt die ruhige Straße nach Uterga schon sehr bald ab. Beim Überqueren der Straße nehme ich noch einmal alle Sinne zusammen, konzentriere mich und warte auf eine Lücke im Verkehr, die groß genug ist, mich heil auf die andere Seite zu lassen.
Und jetzt wird es endlich besser. Auf der verkehrsarmen Nebenstraße rolle ich durch schöne Landschaft. Bald schon sehe ich die mit Windrotoren bestandene Anhöhe des Perdón ziemlich weit hinter mir.
In Uterga treffe ich wieder auf den Begleitbus der Wandergruppe. Die meisten Wanderer sind auch schon da, auf einige wenige wird noch gewartet. Nach einer kurzen Pause schwinge ich mich wieder aufs Rad. Der schmale Camino führt an einem Feld entlang. Vor mir traben ein paar Franzosen. Sie marschieren ziemlich schnell, sodass ich keine Veranlassung sehe, sie zu überholen. An schlechten Wegstellen, wo ich sowieso absteigen und schieben muss, hätten sie mich ohnehin gleich wieder überholt. So geht es bis ins nächste Dorf Muruzábal.
An einer Hauswand sehe ich den Schriftzug „Eunate“, dazu ein großer Pfeil nach links. Sollte es von hier aus eine Abkürzung zu dieser geheimnisvollen, achteckig angelegten romanischen Kirche geben? ( Seite 71) Fast fahre ich schon die Straße geradeaus weiter Richtung Obanos, als ein Pilger mich aufhält und fragt, warum ich denn nicht nach Eunate will. So ein schönes Kirchlein würde ich auf der ganzen Strecke nach Santiago nicht noch einmal geboten bekommen. Nach Eunate wollte ich schon, aber von Obanos aus, denn ich wusste ja nichts von dieser Abkürzung. Also mache ich kehrt, schiebe wieder mal ein paar Meter hoch zurück ins Dorf und folge dem Pfeil. Da ich das Gefühl habe, bald bloß auf irgend einem Hof zu landen, frage ich erneut. Gut, einen kleinen Schlenker muss ich machen, aber das ist schon richtig hier. Im Nu ist das kleine Dorf verlassen und ich radle auf einem Feldweg leicht bergab durch Weizenfelder. Bald schon kann ich in der Ferne das einsame Kirchlein erspähen.
Die romanische Ermita de Nuestra Señora de Eunate, die bei Pilgerbeerdigungen benutzt wurde, aber auch bei Taufen eine Rolle gespielt haben soll, stammt aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist ein Beispiel des Mujedarstils. Man spricht von Mujedarstil, wenn maurische Bauleute, die unter Christen tätig waren, die ihnen vertrauten maurischen Elemente integrierten. Wahrscheinlich hatten sogar die Templer diese Konstruktion in Auftrag gegeben. Diese Vermutung liegt aufgrund des achteckigen Grundrisses dieser Kirche nahe. Achteckig
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