Auf dem Weg zu Jakob
Lanzenstecherbrücke und treffe zu meiner Überraschung auf der anderen Seite auf die halbe Dorfbevölkerung am Straßenrand. Ein paar Böllerschüsse fallen. Und dann kommt ein Traktor in Sicht, der einen seltsamen Wagen zieht. Auf ihm sitzen die Kinder, die ich am Vormittag schon zur Kirche gehen sah, immer noch in ihren schönen Festtagskleidern.
Es weht ein eisiger Wind, der mich an Gletscherwind erinnert. Aber die Kinder sind tapfer und werfen mit Kamelle wie in Kölle beim Karneval. Dem Traktor folgen noch vier weitere Züge, und jeder Wagen hat seine eigene Thematik. Steht das halbe Dorf am Straßenrand, so wird die andere Hälfte in lustiger Verkleidung die Hauptstraße entlanggezogen. Dazu immer wieder Böllerschüsse.
Kurz vor 21:00 Uhr also pünktlich zu „a las nueve“, wenn die Restaurants Abendessen servieren, ist der Zauber vorbei. Ich folge einer Oma, die mit ihrem verkleideten Enkel über die Lanzenstecherbrücke nach Hause geht. Das Kind hat noch ein paar Papierschlangen in der Tasche, die jetzt eine nach der anderen in den scharfen Wind gehalten und von ihm dann fortgetragen werden.
Ich begebe mich in das Restaurant direkt an der Brücke. Das Panorama vom Speisesaal ist grandios, was sich der Wirt jedoch auch durch eine gepfefferte Rechung bezahlen lässt.
Altar der Pilger
In den letzten Tagen bin ich wenig zum Radfahren gekommen, deshalb habe ich für heute eine schöne Tour geplant. Hatten sich die Pilger früher in Astorga ausgeruht, um fit genug zu sein, das Gebirge zu überqueren, so will ich heute etwas näher ans Gebirge ran, um dann mit dem Rad zum Gipfel hinauf zu fahren. Ich habe die Nacht gut und lange geschlafen, und fühle mich insgesamt auch wieder besser und kräftiger. Das Wetter ist klar und sonnig, und es wird heute wohl etwas wärmer als gestern, dennoch bläst immer noch ein kalter Wind.
In Astorga biege ich ab Richtung Castrillo de Polverzales , einem kleinen Dorf, das für die Gegend, die Provinz Bezirk Maragatería , typisch sein soll. An den Häusern wird deutlich, dass die Maragatería als Land der Transporteure Bedeutung erlangte. Es gibt breite Toreinfahrten, durch die man bequem Gespanne lenken konnte. Die Gebäude sind um großzügige, gepflasterte Innenhöfe herum gebaut.
Das Dorf ist schön anzusehen und wirkt auch romantisch, aber ich finde es eher etwas untypisch, da es einfach sehr herausgeputzt ist: die braunen Natursteinhäuser sind mit Fahnen geschmückt, überall Gassen mit Kopfsteinpflaster und eine Kirche voller Storchennester mit extrem vielen Störchen. An jeder Ecke duftet es deftig aus den Restaurants, in denen man den Touristen den lokalen „cocido maragato“, einen Eintopf, serviert.
Fremde dürfen ihre Autos nicht mit ins Dorf nehmen, dafür sind zwei große Parkplätze am Ortsrand vorhanden. Castrillo ist schön und sicher ein interessantes Ziel für den Sonntagsausflug der Familie, die lecker und rustikal essen gehen möchte. Später erfahre ich, dass der Ort seit 1980 komplett unter Denkmalschutz steht.
Bald schon wird es Mittag sein und es ist Zeit, dass ich weiterkomme. Ich verlasse den Ort und passiere das Dorf Santa Catalina de Somoza , eine kleine Enklave mitten im Monte Irago. Die wenigen Felder sind mit Bruchsteinmauern umgrenzt.
Ging es bislang eher stets sanft bergauf, senkt sich die Straße hier sogar wieder ein wenig. Die Vegetation besteht jetzt hauptsächlich aus Gras und Heide, vielleicht hier und da mal eine Krüppelkiefer. Ab und zu überhole ich einen einzelnen Pilger oder auch mal eine kleine Wandergruppe. Ich frage mich, was aus der Pilgerameisenstraße geworden ist, die ich noch in Navarra beobachten konnte? Haben die alle schon aufgegebenen?
Ich komme nach El Ganso , ein ganz kleines Bergdorf aus grauem Stein, in dem sicher nicht mehr als 50 Einwohner leben. Sofort fällt mir auf, dass auf dem Kirchturm der Pfarrkirche Santiago kein Storchennest ist. Möglicherweise liegt der Ort schon zu hoch, sodass es den Störchen hier zu kalt ist. Um der Witterung zu trotzen haben die Menschen hier früher auch in sogenannten „Casas Teitadas“ gewohnt, rundliche Häuser aus Bruchsteinen mit Strohdächern. Heute sind diese alten Gebäude keltischer Bautechnik aber verfallen. Unterhielt der Clunyorden hier früher auch ein Kloster und gab es ein Pilgerhospital, so ist der Ort heute völlig bedeutungslos.
Die Landschaft wird vornehmlich von den Farben grün, lila und gelb beherrscht, nur hier und da ist mal
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