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Auf dem Weg zu Jakob

Auf dem Weg zu Jakob

Titel: Auf dem Weg zu Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Adams
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auf dem Gipfel, am Cruz de Ferro, wo meine Fahne heute etwas weniger stramm weht, treffe ich auf ein deutsches Ehepaar, das von Frankreich aus hierher geradelt ist und auch bis Bordeaux zurückradeln will. Je weiter ich nach Westen komme, desto häufiger treffe ich Menschen, die nicht nur hin sondern auch aus eigener Kraft zurückreisen (wollen). Ich frage die beiden Rentner, ob sie die Fahrt hier herauf beschwerlich fanden. Beide verneinen eifrig. Ich werde die zwei auf meiner Fahrt nach Santiago noch häufiger treffen und feststellen, dass sie mir kilometermäßig auf der Reise nach Westen in nichts nachstehen. Ich verweile noch einen Augenblick auf dem Gipfel und nehme dann Abschied vom höchsten Punkt meiner Reise.
     
    Wenige Kilometer weiter liegt Manjarín . Im 16. Jahrhundert gab es hier ein Pilgerhospital. Aber heute ist der kleine Gebirgsweiler mehr oder weniger verfallen. Lediglich ein Gebäude wurde halbwegs wiederhergerichtet, in dem der Einsiedler Tomás, mittlerweile kein Unbekannter mehr auf dem Camino, vorbeikommenden Pilgern seine Dienste anbietet. Ich bin neugierig, fahre dann aber doch weiter, als ich eine kleine Gruppe Leute sehe, die offenbar gerade dabei ist, in einem seltsamen Ritual mit Flaggen mit Templersymbolen die Sonne oder was auch immer anzubeten. Sie sehen dabei alle etwas zu glücklich aus, als dass sie mich da jetzt noch brauchen.
    Später erfahre ich von Robert, einem 76-jährigen Pilger aus Südkalifornien, dass er dort eingekehrt sei und gar übernachtet habe. Das Essen sei von den schmutzigsten Händen zubereitet worden, die er je in der Nähe von Lebensmitteln gesehen hatte, und das Nachtlager zog er auf dem nackten Boden vor, da er der Matratze nicht traute. Dennoch war das Essen nicht schlecht und er war dankbar dafür, sein müdes Haupt auf der langen Wanderung durch die Berge hier betten zu dürfen. Robert war der Auffassung, dass Tomás sich für einen der letzten Tempelritter hält und die Tradition, den Pilgern zu helfen, weiterführt.
     
    Nach einigem Auf und Ab verlasse ich jetzt schon wieder die Maragatería und gelange hinab ins Bierzo , einem fruchtbaren Landstrich, mit seinem eigenen Mikroklima: es ist mild, temperiert und feucht. Der Niederschlag beträgt durchschnittlich 8S0 mm im Jahr, aber der Landstrich erhält viel Licht und hat wenige Frosttage zu verzeichnen. Der Bierzo, geologisch ein Grabeneinbruch, ist von Bergen umgeben, den Montes de León , die ich gerade hinabrolle, und dem Galicischen Grenzgebirge, das ich auf dem Cebreiro-Pass überqueren werde.
     
    Doch bevor ich so richtig ins Herz des Bierzo gelange, komme ich auf meiner Abfahrt durch das ursprüngliche Bergdorf El Acebo, wo vor einigen Jahren der deutsche Fahrradpilger Heinrich Krause ums Leben kam. Berichten die meisten Quellen von einem tödlichen Unfall, so gibt es auch die Version des Herzinfarktes. Auf dieser diabolisch steilen Abfahrt würde mich ein Unfall aufgrund zu hoher Geschwindigkeit nicht wundern. Man hat dem armen Radfahrer jedenfalls ein Denkmal gesetzt, das täglich von anderen Pilgern neu mit Blumen geschmückt wird ( Seite 110).
    Hier am Denkmal biegt auch die Straße nach Compludo ab, einer alten Schmiede aus dem 7. Jahrhundert, die man besichtigen kann. Seit 1968 steht die Schmiede, ein mittelalterliches Meisterwerk der Hydraulik, unter Denkmalschutz. Der Abstecher zur Schmiede beträgt zwar nur 5 km, aber was für Kilometer das werden! Beim Abbiegen übersehe ich das Hinweisschild, dass die Schmiede zur Zeit renoviert wird und daher geschlossen ist. Die Straße führt hinab ins Tal. Sie ist nicht breit, aber im oberen Bereich noch breit genug, um zwei entgegenkommende Fahrzeuge aneinander vorbei zu lassen. Doch dann wird sie schmaler und der Abhang ohne Begrenzung immer steiler. Was, wenn einer entgegenkommt?
    Endlich habe ich den Talkessel erreicht. Hier unten ist es bewaldet und plötzlich auch heiß. Ich steige aus. Kein Luftzug. Absolute Stille. Als wäre dies nicht diese Welt. Fast schon etwas unheimlich. Und plötzlich taucht auch noch ein großer, kräftiger Mann mit nacktem, muskulösem Oberkörper und schmutziger Hose aus dem Nichts auf. Doch er grüßt freundlich und geht in die andere Richtung.
    Ich will jetzt die Schmiede suchen und dann nichts wie weg hier. Gleich hinter der Biegung ist ein Schild, das einen Fußweg zur Schmiede weist. Der Weg führt entlang eines klaren, gurgelnden Baches und zieht sich tiefer und tiefer in den Wald hinein. Noch eine

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