Auf dem Weg zu Jakob
viel Romanik gesehen, finde ich das Casa de Botine aus dem 19. Jahrhundert sogar fast noch interessanter. Es wurde von Gaudí erbaut, einem Baumeister, der sich gerne organischer, natürlich wirkender Bauformen bediente. Weitere und noch wesentlich berühmtere Gebäude von Gaudí sind der Bischofspalast in Astorga, den ich auf dieser Reise auch noch sehen werde, und die gigantische Sagrada Familia in Barcelona. Gaudí starb 1926 im Alter von 74 Jahren - schade, von ihm hätte es mehr Bauwerke geben sollen.
Ich laufe noch ein Stückchen durch die alten Gassen und gelange zur Kathedrale, die ich mir unbedingt anschauen möchte, aber sie macht nicht vor 16:00 Uhr auf. Vor der Kathedrale entdecke ich noch eine dieser modernen Metallplastiken: Touristen, Vater und Sohn. Während der Vater die beeindruckende Kathedrale bewundert, schaut der kleine Junge eher gelangweilt woanders hin ( Seite 102).
Auf dem Platz vor der Kathedrale spüre ich den kalten Wind stärker. Ich kann hier nicht warten, bis sie öffnet. Ich kann auch gar nicht so lange stehen. Ich muss sitzen. Also suche ich mir ein Café in der Nähe und bestelle eine heiße Schokolade. Es tut gut, etwas Warmes zu mir zu nehmen.
Inzwischen ist die Kathedrale geöffnet. Es ist wohl wirklich die schönste Kathedrale, die ich je gesehen habe. Der Kirchenbau wurde 1205 begonnen, aber Geldmangel führte dann zu Verzögerungen, sodass sie erst im 14. bzw. im 16. Jahrhundert fertiggestellt wurde. Die Sandsteinkathedrale verfügt auf der Westseite über zwei riesige Türme, zwischen denen eine gigantische Fensterrose den Innenraum mit buntem Licht versorgt. Überhaupt ist Licht in diesem Bauwerk ein ganz wichtiges Element. Überall lassen hohe, geschmackvoll verglaste Fenster buntes Licht herein. Mit nach oben gerichtetem Blick taumele ich durch das Kirchenschiff. Ich fühle mich wie von Sinnen. Hat mich das bunte Licht verzaubert, oder fühle ich mich schwindelig durch meinen Virus?
Über Nacht verhält sich mein Magen relativ ruhig, sodass ich es wage, wieder fast normal zu frühstücken. Aber auf halbem Weg zum Kaufhaus erwischt es mich dann plötzlich wieder. Geplagt von heftigen Darmkrämpfen entdecke ich am Rande eines kleinen Parks eine von diesen modernen, sich selbst reinigenden Münztoiletten. Habe ich diese öffentlichen Kabäuschen bislang meist gemieden, habe ich jetzt nicht Eiligeres zu tun, als nach der geeigneten Münze zu fischen. Kaum bin ich drin, muss ich mich auch noch ganz kräftig übergeben.
Mit Tränen in den Augen verlasse ich den Toilettenautomaten und rette mich auf eine Parkbank. Es dauert eine Weile, bis ich mich von der Aktion erholt habe, aber mir geht es jetzt erst mal etwas besser.
Ich verlasse León. Für Radfahrer sicher kein Zuckerschlecken, denn die insgesamt vierspurige Straße verfügt über keinen Seitenstreifen. Auch Ist die Stadtausfahrt wieder einmal hässlich. Das wird nicht besser bis Virgen del Camino , wo ich eine moderne Bronzeplastik fotografieren will, was ich dann aber lasse, da die großen Figuren von dem Bildhauer Subirach unfotogen im Schatten stehen. Ansonsten ist über diesen Ort absolut nichts zu berichten, es sei denn, man will Möbel oder Leder kaufen. Nicht minder potthässlich ist Valverde . Hat man die Steigung erklommen, geht es etwas bergab, aber man sieht gleich schon wieder die nächste Steigung, die zu bewerkstelligen ist. Kein Vergnügen für Radfahrer. San Miguel hat ein paar Bodegas in den Hügeln vorzuweisen, und in der Ferne sieht man jetzt schon die steilen Montes de León, einen Teil des Kantabrischen Gebirges, über das der Pilgerweg führt, jetzt gibt es links der Autostraße einen Fußweg, auf dem zwei Eselpilger gen Westen ziehen.
Villandango de Paramo und Martín del Camino sind beide gleich unausstehliche Orte. Ich halte nicht, sondern fahre gleich durch bis Puente de Órbigo , das mit dem gegenüber liegenden Ort Hospital de Órbigo durch die sogenannte Lanzenstecherbrücke verbunden ist.
1434 hatte der Ritter Suero de Quiñones zusammen mit neun Kumpanen die Brücke über den Río Órbigo versperrt und forderte 30 Tage lang alle durchreisende Ritter auf, mit ihm zu kämpfen. Je nach Quelle findet man unterschiedliche Gründe für dieses Verhalten. Zum einen sagt die Legende , um seiner Geliebten zu imponieren, habe er sich eine Halsfessel umschmieden lassen, die er nur gelobte abzunehmen, nachdem er 300 Ritter besiegt hatte. Die Literatur geht dabei von einer Zahl zwischen
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