Auf den ersten Blick
mich nicht erkannt.
Ich entspannte mich und tat so, als würde ich den Tresen putzen, aber unwillkürlich sah ich doch immer wieder zu ihm hinüber, aus Faszination, wie ich sagen muss, nicht aus Misstrauen. Was hatte er so getrieben, seit er von der Schule abgegangen war? Was machte er hier? Es kam mir vor, als begegnete ich einem Prominenten, wenn auch einem, der mich vielleicht verprügeln würde.
Das tik-tik-tik hörte auf, und er warf noch einen Blick in meine Richtung. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn beobachtete, also wandte ich mich ab und begann, Sachen zu stapeln, die gar nicht gestapelt werden mussten.
Und dann stand er am Tresen.
»Hallo, Sir.«
Oh.
»Hallo …Matthew. Matt.«
»Sie arbeiten hier, oder?«
Alles andere wäre doch seltsam.
Moment mal – tu ich gar nicht.
»Nein. Ich pass nur auf den Laden auf. Für einen Freund.«
Er nickte und sah sich um.
»Ja, wie heißt er noch? Ich war schon ein paarmal hier. Ganz schön nervös, der Typ, oder?«
Es lag wohl an der Kapuze.
»Sind Sie denn noch an der St. John’s?«, fragte er.
Er sprach mit mir, vermied aber jeglichen Blickkontakt.
»Nein, ich bin jetzt Journalist. Mehr oder weniger. Ein Mehr-oder-weniger-Journalist.«
»Ja. Ich hab Ihren Namen in der Zeitung gelesen. Wusste nur nicht, ob Sie das sind oder der andere.«
»Der von 9021 0 ?«
»Dachte mir schon, dass er es wohl nicht ist.«
Ich lächelte.
»Bei Ihnen alles okay, Sir?«
Jetzt sah er mich an, scheu.
»Du musst nicht ›Sir‹ zu mir sagen.«
»Was dann?«
»Keine Ahnung. Mr Priestley?«
Plötzlich kam ich mir albern vor. Ich stand vor einem Sonic-the-Hedgehog -Poster und verlangte von einem Kunden, dass er mich Mr Priestley nannte.
»Oder Jason. Nenn mich einfach Jason.«
Matthew zog die Nase hoch und kratzte sich im Gesicht.
»Ich werde Sie Mr Priestley nennen. Bei Ihnen alles okay, ja?«
Es folgte ein betretener Moment. Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. Ich überlegte, was Dev sagen würde.
»Jep. Hast du gefunden, wonach du suchst?«
»Wollte mich nur mal umsehen.«
»Wie geht’s deinem Baby?«
Es kam spontan. Aber jetzt würde er sich fragen, woher ich es wusste. Er lächelte.
»Ich hab Sie an dem Tag auch gesehen. Am Bahnhof. Dachte, Sie würden mich nicht erkennen.«
»Wie heißt er? Oder sie?«
»Elgar.«
Elgar? Elgar, das Baby?
»Elgar ist ein hübscher Name für ein … Baby.«
»Ich hab gar kein Baby«, sagte er grinsend. »Die Frau, die Sie da gesehen haben, die labert alle dauernd wegen Babys voll. Ist mir lieber, wenn sie denkt, ich hab eins und bin beschäftigt.«
Ich lachte. Elgar schien mir eine merkwürdige Referenz, auch wenn sie mir gefiel.
»Was treibst du so?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Schule war nichts für mich. Weiß aber nichts anderes.«
»Wo arbeitest du?«
»Autowerkstatt am Chapel Market.«
Und dann – irgendwo in seiner Hose – fing Akon an zu singen. Entweder war es Matts Klingelton, oder Akon sollte sich langsam wirklich mal nach besseren Gigs umsehen.
Er starrte den Namen auf dem Display an.
»Ich muss los. Bis dann, Sir. Nett, Sie mal zu treffen. Schön, dass es Ihnen gut geht.«
»Bis bald mal …«, wollte ich sagen, doch er drehte mir den Rücken zu und war schon halb aus dem Laden.
Ich sah ihn über die Caledonian Road laufen, zu einem demolierten Mountainbike, das an einen Laternenmast gekettet stand.
Schule war nichts für ihn. Ich wusste, wie er sich fühlte.
Und dann bimmelte wieder das kleine Glöckchen über der Tür, und der nächste Kunde spazierte herein. Ich warf ihm ein halbherziges Lächeln zu und wandte mich ab, sah ihn mir nicht näher an und wollte auch gar nicht. Ich musste immer noch über Matt nachdenken. Aber der Mann hatte etwas Vertrautes an sich, die gebräunte Haut, das gepflegte Haar, und ich drehte mich wieder um, und da stand er, noch immer in der Tür, lächelte ein kleines Lächeln und zog zwei schmale Augenbrauen hoch.
»Hey, Kumpel …«, sagte er, und aus seiner Stimme sprach eine gewisse Trauer, als wäre ich ein Kätzchen, das aus der Narkose erwachte, und er ein Tierarzt mit einem Hammer in der Tasche.
sechs
Oder: › › The Sky Is Falling ‹ ‹
»Ich weiß, dass du sie noch liebst, Kumpel.«
Oh nein, bitte nicht Kumpel. Wer sagt denn Kumpel, es sei denn, er kommt aus Amerika oder aus den Fünfzig ern? Gary ist vierunddreißig und kommt aus Hertfordshire.
Ich hatte den Laden zugemacht – Dev würde es verstehen – und
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