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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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…«
    Urplötzlich verlor ich allen Lebensmut und atmete schwer aus. Kunst ist subjektiv, oder? Also ist meine Meinung in jedem Fall was wert. Aber ist sie auch was wert, wenn ich die Ausstellung gar nicht gesehen habe?
    Ja, ich glaube schon. Ich fing an zu tippen.
    »Zu seinen Fans zählen …«
    Und zehn Minuten später verschickte ich den Artikel per Mail.
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und dachte an Gary. Warum hatte er gezögert? Und was hätte er gedacht, wenn er gewusst hätte, dass ich Fotos einer Fremden aufbewahrte?
    Da ging mein Handy. Es war Zoe.
    »Hey, Blödmann. Was macht der Text?«
    »Hab ihn gerade eben gemailt.«
    »Was denkst du?«
    »Wirst du schon sehen!«
    »Die Ausstellung, meine ich.«
    Ich nahm den Flyer in die Hand.
    »Ach, weißt du … überraschend. Voller Visionen und … Beharrlichkeit.«
    »Wow, klingt ja sensationell. Und dabei habe ich dich nie für einen kunstinteressierten Menschen gehalten.«
    »Nun, wie sich herausstellt, bin ich einer.«
    Da lachte sie ihr vertrautes, heiseres Lachen. Einmal wäre aus uns fast ein Paar geworden, aus Zo und mir, wenn Sie verstehen, was ich meine. Nur einmal an der Uni, nach einer dieser angesagten Disco-Partys. Ihre Cousine war zu Besuch gewesen und musste sich in ihrem Zimmer schrecklich übergeben, also kam Zoe zu mir geschlichen, und wir guckten bis zum Morgengrauen Die Goonies . Ich wusste also, dass sie mich früher mal gemocht hatte. Vielleicht tat sie es noch immer. Vielleicht war es mir ganz recht, nach allem.
    »Jedenfalls habe ich dich da gar nicht gesehen.«
    »Hmm?«
    »Ich habe dich in der Galerie gar nicht gesehen.«
    Ich erstarrte. Machte sie Witze?
    »Wie meinst du das?«
    »Bei der Ausstellung. Gegen Ende war ich auch noch da.«
    War das ein Bluff? Oder hatte sie mich erwischt?
    »Du warst da, ja?«, sagte ich mit – wie ich hoffte – leicht scherzendem Unterton, was allerdings ohne Weiteres wie Angst geklungen haben könnte.
    »War ich. Ich dachte, ich schau mal rein. Wo hast du dich denn rumgetrieben?«
    »Da muss ich wohl … in dem anderen Raum gewesen sein.«
    »In welchem anderen Raum?«
    »Der Teil abseits vom Haupt raum.«
    »Es gab keinen anderen Raum. Es gab ja kaum einen Haupt raum.«
    »Na ja, ich war nur kurz drinnen, aber da war so viel los, dass ich …«
    »Es war halb leer. Du warst nicht kurz drinnen.«
    Im Hintergrund hörte ich, dass ihr Computer pling machte. Scheiße. Meine E-Mail war angekommen.
    »Ich war drinnen! Ich hab kurz einen Blick reingeworfen!«
    Bitte glaub mir. Bitte glaub mir.
    »Jason«, sagte sie, und da fing ich an zu schwitzen, denn ich konnte hören, wie sie ihre Maus bediente, etwas anklickte, einen Anhang öffnete … »Hast du etwa eine Kritik über etwas geschrieben, ohne es dir angesehen zu haben?«
    War das ein Trick? Um mich an die alten Zeiten zu erinnern, um mich zu überrumpeln?
    »Nein … ich bin … ich war da, vielleicht hast du mich nur nicht …«
    »Zu seinen Fans zählen Evan Dando und Carl Barat« , sagte sie, und mein Magen krampfte sich zusammen, denn damit fing meine Kritik an. » Kaiko Kakamara ist ein Künstler mit überraschender Vision … nun, ich muss sagen, Jason, mich überrascht eher deine Vision.«
    »Zoe, es tut mir leid, ich kann alles erklären … ich war spät dran, und die Bahn hatte …«
    »Was ist mit dem Restaurant? Warst du überhaupt da?«
    »War ich! Ich habe eine Margherita bestellt!«
    Faktisch zutreffend.
    »Angesichts dessen, was du getan hast, fällt mir dieses Telefonat erheblich schwerer.«
    O Gott. O nein. Das darf nicht wahr sein …
    »Ich muss dich bitten, in die Redaktion zu kommen.«
    Was? Wieso? Wenn du mich feuern willst, dann feuer mich einfach.
    »Rob ist immer noch krank, und er hat eben angerufen, dass es noch ein paar Wochen dauern wird. Irgendeine Operation. Du musst für ihn einspringen.«
    »Rob, der …«
    »Rob, der Rezensionsredakteur.«
    »Also … du möchtest, dass ich Rezensionsredakteur werde?«
    »Nein, ich möchte, dass du für den Rezensionsredakteur einspringst.«
    »Dafür müsste ich also …«
    »Du müsstest nicht mal irgendwohin gehen. Nur die Leute losschicken. Es wäre ein Bürojob …«
    »Das macht mir nichts! Ich meine: liebend gern!«
    Es folgte eine Pause.
    »Zoe … du tust das nicht, weil …«
    »Was?«
    »Ich möchte, dass du weißt, dass du mir nichts schuldig bist.«
    »Ich tue es, weil ich jemanden brauche, der einspringt, und Jennifer hat ihren Urlaub gebucht, Sam ist Montag

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