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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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nur um mich. Was waren denn deine Lieblingswitze?«
    »Das hast du doch eben schon gefragt, oder?«, sagte Dev.
    »Aber du hast nicht geantwortet«, sagte Clem.
    »Ich mochte das mit dem Geistesblitz«, sagte Dev.
    »Aber das habe ich doch schon gesagt«, sagte Clem.
    »Na, siehst du«, sagte Dev, und Clem zog ein mürrisches Gesicht.
    »Ich muss sowieso los«, sagte Clem. »Ich muss an meinem Material arbeiten. Großer Giggle im Smile High Club nächste Woche. Das muss klappen. Mein nächstes Ziel sind Firmenveranstaltungen. Da steckt das Geld.«
    Er leerte seinen Cocktail und knallte das Glas auf den Tisch.
    »Ist ›Cocktail‹ nicht eine merkwürdige Bezeichnung, wenn man bedenkt, dass weder das eine noch das andere drin ist?«
    Ich presste ein Lachen hervor, und er grinste breit.
    »Na, das kommt mit ins Programm!«, sagte er, und dann, als ich mir überlegte, wie ich darauf reagieren sollte, schien er jemanden am Tresen entdeckt zu haben.
    »Oh, war dein Bruder auch beim Giggle?«, sagte er. »Hast du ja gar nicht erzählt!«
    »Wer?«, sagte ich.
    »Dein Bruder. Ist das nicht dein Bruder da am Tresen?«
    Ich drehte mich um.
    Der Mann, den er meinte, überlegte gerade, für welches Bier er sich entscheiden sollte. Er stellte Fragen und tippte an die Zapfhähne. Und dann drehte er sich halb um, und … oh …
    Ich erstarrte.
    Leute sagen öfter mal, sie seien erstarrt, aber sie meinen es nicht so, wie ich es meine. Ich erstarrte ganz und gar, denn er war es. Er war hier in dieser Bar.
    »Was macht er noch gleich?«, fragte Clem. »Dein Bruder?«
    »Ja«, sagte Dev, der es jetzt auch merkte, der ihn erkannte, lächelnd. »Was macht dein Bruder eigentlich?«
    »Chiropraktiker«, sagte ich leise und versuchte, mich daran zu erinnern, was ich Clem neulich erzählt hatte.
    »Ich dachte, er sei Kieferorthopäde.«
    »Er hat schon alles Mögliche gemacht.«
    »Und seine Frau ist blond?«
    »Durch und durch.«
    »Okay. Na ja, jedenfalls«, sagte Clem, während ich ihn anstarrte und er davon redete, dass er seine Sachen zusammensammeln wollte, und überlegte, ob er mit dem Bus oder mit der U-Bahn fahren oder sich ein Taxi gönnen sollte, aber ich hörte nicht mehr zu, denn da war er – der Mann, Chunk, der klobige Uhrenmann, was vielleicht bedeutete, dass auch sie hier war …
    Ich schätze, es lag wohl nahe, dass ich ihm hier begegnete. Vermutlich arbeiteten sie beide in der Charlotte Street. Er ist wohlhabend, mit seiner Alaska-Wohnung und seiner Uhr und seinem Teint und seinem seltenen Auto. Da passt es doch, dass er sich im Charlotte Street Hotel herumtreibt. Wahrscheinlich wickelt er gerade einen Kunden ein, klopft einen Deal fest.
    Wieder ging mein Blick durch den Raum. War sie hier? War sie auch hier?
    Und dann passierte etwas Merkwürdiges. Ich wünschte, sie wäre es nicht. Es überkam mich und blieb da, dieses Gefühl, sie ganz und gar nicht hier haben zu wollen . Tatsächlich wäre ich absolut überhaupt nicht begeistert.
    Erstens fühlte ich mich nicht bereit, auch wenn ich die Bar systematisch absuchte, für alle Fälle. Ich musste mal wieder zum Friseur, und mir gefiel nicht, was ich anhatte.
    Zweitens, wenn sie hier wäre, in dieser Bar in der Charlotte Street, umgeben von BlackBerrys und glänzenden Haaren und Louboutins, bedeutete es, dass sie mit ihm hier war. Und wenn sie mit ihm hier war, konnte sie unmöglich je mit mir hier sein.
    Und drittens (O Gott, es gab ein drittens! ): Wenn sie mit ihm hier war und nicht mit mir, dann wäre es das gewesen. Es wäre aus. Die ganze Romantik und das Mysterium und die Faszination, die es mit sich bringt, einem Mädchen die Fotos zu klauen und es damit zu suchen – dieser klassische Plot von Liebesromanen –, wäre endgültig vorbei.
    Ich sah mir den Mann genauer an, solange ich das Gefühl hatte, dass er mich nicht bemerkte. Perfekt sitzender, dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, Seidenkrawatte. Glänzende Schuhe, aber mit Silberschnallen. Das beruhigte mich. Ich war mir nicht sicher, ob ich ein Mädchen lieben konnte, das einen Mann mit Schnallen an den Schuhen liebte. Er war gut gebaut, was mir leichter über die Lippen kommt, als zu sagen, dass er ansehnlich war, und seine Haare schienen mir im Nacken länger zu sein als auf den Fotos.
    Er trug keinen Ehering.
    »Du solltest zu ihm gehen und mit ihm reden«, sagte Dev. »Finde was über ihn raus. Frag ihn, ob er eine Freundin hat.«
    »Du meinst, ich soll in einer Bar einen fremden Mann ansprechen und ihn

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