Auf den ersten Blick
zugesehen, wie Dev sich ein paar Minuten mit dem Mann unterhielt, während er darauf wartete, bedient zu werden (er hatte ein Glas Leitungswasser bestellt, und der Barkeeper sah nicht gerade begeistert aus). Ich war nervös gewesen. Ich fühlte mich, als würde man mir jeden Moment auf die Schliche kommen.
Als es zu nervenaufreibend wurde, überlegte ich mir Ausreden, die ich vorbringen konnte, falls man uns ertappte. Ich hatte den Einwegfilm mit meinem eigenen Einwegfilm verwechselt und ihn versehentlich entwickeln lassen. Oder vielleicht konnte ich sagen, dass Dev ein Pflegefall war und er das alles getan hatte, während ich – sein Betreuer – außer Gefecht gesetzt war, weil mir ein neidischer Kollege etwas in die Milch gemischt hatte. Doch als ich dann wieder hinüberblickte, konnte auch ich sehen, was alle in der Bar sahen: drei Männer, die am Tresen standen, lächelten, nickten und sich miteinander unterhielten.
Schließlich hatte einer von ihnen in seine Tasche gegriffen und eine Visitenkarte hervorgeholt.
»Und was ist das jetzt für einer?«, sagte ich. »Wie hast du ihn dazu gebracht, dir seine Visitenkarte zu geben?«
»Ich habe sie gefragt, in welcher Branche sie tätig sind.«
»Und?«
»Sie sind Restaurateure. Oder zumindest haben sie in Restaurants investiert. Also habe ich erzählt, dass meinem Dad mehrere Läden an der Brick Lane gehören, und zack – schon hatte ich seine Visitenkarte.«
Er reichte sie mir. Ich las sie. Nur ein Name und eine Nummer, mehr nicht.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und hörte, wie Dev und sein Vater sich auf Urdu anschrien. In letzter Zeit kam Devs Vater ungefähr einmal im Monat vorbei, um ihn auf Urdu anzuschreien. Seit Kurzem erst schrie Dev zurück.
»Familienangelegenheit«, erzählte er mir dann meist, wenn er das Frühstücksfernsehen anstellte oder Kaffee machte, und ich beließ es dabei, denn das gehört sich so, wenn Leute »Familienangelegenheit« sagen.
Während ich ihnen lauschte, starrte ich an die Decke und versuchte, an was anderes zu denken. Da war natürlich Sarah, aber wenn da Sarah war, war da auch Gary, also nahm ich davon Abstand. Und dann war da der gestrige Abend. Der Mann. Und seine Visitenkarte.
»Nun mach schon!«, sagte Clem begeistert. »Erzähl es ihnen!«
»Clem war fabelhaft«, log ich, und Zoe neigte ihren Kopf und lächelte, eine ausgezeichnete Geste, um Clem ihre Freude und mir ihre Zweifel zu zeigen.
»Es gab da einen wunderbaren Augenblick«, sagte Clem und rotierte auf seinem Bürostuhl herum, um lässig zu wirken, »als jemand sein Bierglas fallen ließ, und ich dachte: Okay, hier sollte ich jetzt improvisieren …«
Ich nickte und lächelte mich durch den Rest, während ich überlegte, wann ein guter Moment wäre, wieder an meinen Computer zu gehen und Google aufzurufen. Ich hatte eine Hand in der Tasche, meine Finger um den Rand der Visitenkarte.
Damien Anders Laskin.
Was würden wir über Damien Anders Laskin rausfinden?
Folgendes, dachte ich, würde ich über Damien Anders Laskin herausfinden:
Ich dachte, ich würde herausfinden, dass er sehr, sehr reich war.
Ich dachte, ich würde herausfinden, dass der Großteil seines Geldes von seinem Vater kam, einem schwerreichen, adligen Industriellen, der nach wie vor noch mitmischte und den armen Damien immer weiter ins Familienunternehmen drängte, das vermutlich Laskin’s hieß und irgendwas mit Weinbergen zu tun hatte und Hunderte von Jahren alt war und wahrscheinlich ein-, zweimal seinen Namen ändern musste, um seine früheren Verwicklungen in den Sklavenhandel zu verheimlichen.
Ich dachte, ich würde selbstverständlich herausfinden, dass er in Eton studiert und dort irgendeinen Kronprinzen aus einem afrikanischen Land kennengelernt hatte, der ihm später nur allzu gern diverse Waffengeschäfte garantierte, denen er nachging, um die vergleichsweise armseligen, weinbasierten Ambitionen seines Vaters in den Schatten zu stellen, die nun jedoch daran scheiterten, dass sein Freund durch einen Militärputsch gestürzt worden war.
Ich dachte, ich würde herausfinden, dass er verheiratet gewesen war, einmal nur, mit einem osteuropäischen Model, das er kennengelernt hatte, als er Laskin’s of Prague aufbaute, eine Mission, die ihm von seinem Vater aufgetragen worden war, die jedoch schlussendlich daran scheiterte, dass Damien einfach nicht mit dem Herzen bei Laskin’s Wines & Spirits war und auch niemals sein würde, aber die Ehe blieb kinderlos, denn sie
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