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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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in eine gute Familie gäbe. Du weißt, dass ich mich nie von ihm getrennt hätte, wenn auch nur die geringste Gefahr bestanden hätte, dass er in ein Pflegehaus kommt. Du weißt das, Mutter! Gott ist mein und dein Zeuge!«
    »Davon ist mir nichts bekannt«, behauptete Enid stur, aber Fiona entdeckte eine Spur von Unsicherheit in ihrer Stimme.
    Der merkwürdige Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Tochter beunruhigte Enid. Hatte sie sich etwa anmerken lassen, welche Schuldgefühle sie seit Jahren plagten? Schuldgefühle, die jedes Mal in ihr aufstiegen, wenn sie in die smaragdgrünen Augen ihres Enkels blickte und darin ihre Tochter erkannte. Es waren die Augen jenes Menschen, den sie mehr als jeden anderen auf der Welt liebte. Welche Ironie, dass aus der Schande der Familie ihr größter Stolz geworden war!
    »Ich kann dir helfen, dich von Schuld und Scham zu befreien, Mutter«, sagte Fiona leise, als hätte sie Enids Gedanken gelesen. »Deshalb bin ich hier.«
    »Ich habe in meinem ganzen Leben nichts getan, wofür ich mich schuldig fühlen müsste«, entgegnete Enid steif. »Ich muss mich nicht schämen.«
    »Nun, wenn das so ist, dann habe ich zumindest ein Angebot für dich, das dich interessieren dürfte, weil dir der Name Macintosh wichtig ist. Möglicherweise kann ich dafür sorgen, dass du die Mehrheit der Anteile am Familienbesitz erhältst. Dafür verlange ich nur, dass du meinem Sohn die Wahrheit darüber sagst, was damals geschehen ist.«
    »Wie könntest du das wohl erreichen?« Verächtlich tat Enid das Angebot ihrer Tochter ab. »Du hast deine Anteile doch klammheimlich an deinen Ehemann verkauft. Sollte dir das etwa entfallen sein?«
    »Ist dir entfallen, dass meine Töchter zwei Drittel des dritten Anteils am Besitz halten?«
    »Das dürfte auch deinem Ehemann bekannt sein«, meinte Enid sarkastisch. »Angesichts seiner Vorliebe für zwielichtige Geschäfte wird er versuchen, Helen und Dorothy ihre Anteile bei der ersten Gelegenheit abzukaufen.«
    Fionas grimmiges Lächeln verriet Enid, dass ihre Tochter bereits daran gedacht hatte. »Im Moment kann er das Geld dafür nicht aufbringen. Dagegen steht mir das Kapital zur Verfügung, das ich für die Übertragung meiner Anteile an ihn erhalten habe. Damit kann ich meinen Töchtern ein Angebot machen, das sie mit Sicherheit nicht ablehnen werden.«
    Ein Hauch von aufkommendem Respekt lag in dem Blick, mit dem Enid ihre Tochter bedachte. Allerdings verstand sie noch immer nicht, warum Fiona ihr Drittel am Besitz der Familie überhaupt an Granville verkauft hatte. »Ich habe mich immer gefragt, warum du deinem Ehemann so viel Macht überlässt. Wolltest du mir damit schaden, oder hattest du vor, den Namen Macintosh zu vernichten?«
    Traurig lächelnd schüttelte Fiona den Kopf. »Mir ging es darum, das Erbe meines Sohnes zu schützen, Mutter. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Aber so konnte ich Granville davon abhalten, Patricks Geburtsrecht vor Gericht anzufechten. Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Das ist der einzige Grund, warum ich Granville meinen Anteil verkauft habe.«
    Diese Enthüllung machte Enid sprachlos. Mit dieser schlichten Erklärung schlug Fiona eine Brücke über den Abgrund, der Mutter und Tochter trennte. Aber es war nicht Enid Macintoshs Art, ihre Gefühle in Worte zu kleiden. »Wenn Patrick heimkehrt, wird deine Hilfe nicht erforderlich sein.« Damit war das Angebot ihrer Tochter abgetan, und die Brücke zwischen beiden brach in sich zusammen.
    Verzweifelt schüttelte Fiona den Kopf, Tränen strömten ihr über das Gesicht. Was konnte sie noch tun? Sie erhob sich von ihrem Stuhl. In diesem Augenblick kam Betsy mit einem Silbertablett mit Teetassen in die Bibliothek. »Ich kann nicht glauben, dass ein Mensch so herzlos sein kann wie du, Mutter«, stieß Fiona hervor, als würde ihr der Atem abgeschnürt. »Ich habe dich nur darum gebeten, meinem Sohn die Wahrheit zu sagen, ihm zu erzählen, dass ich ihn liebe. Sonst nichts. Und dafür hättest du die Mehrheit der Anteile an deinen geliebten Unternehmen bekommen. Kennst du denn gar kein Mitgefühl? Weißt du nicht, was Schmerz ist?«
    Betsy sah von einer zur anderen und erkannte klugerweise, dass in dieser wogenden See großer Gefühle kein Raum für sie war. Hastig stellte sie das Tablett auf Enids Schreibtisch, murmelte eine Entschuldigung und zog sich taktvoll zurück. Allerdings war sie erst wenige Schritte weit gekommen, als sie von Fiona überholt wurde, die

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