Auf den Flügeln des Adlers
finden. Seit seiner Ankunft im Dorf fühlte er sich unbehaglich. Die Leute starrten ihn neugierig an und flüsterten hinter seinem Rücken, wenn er vorüberging. Obwohl er gerade erst eingetroffen und in Riley’s Pub abgestiegen war, hatte er das Gefühl, dass sein Besuch irgendwie ungewöhnlich war. Die Dorfbewohner starrten ihn ungläubig an und wandten sich dann ab, wenn er näher kam. Auch Riley war sehr zurückhaltend gewesen, als er im Gasthaus um ein Zimmer gebeten hatte.
Nun hatte er das Pfarrhaus erreicht und klopfte an die schwere Holztür. Eamon öffnete selbst. Bei Patricks Anblick leuchtete sein Gesicht vor Freude auf. Sein breites Lächeln wärmte Patrick das Herz. »Gütiger Himmel, das ist ja Captain Duffy! Kommen Sie herein. Schön, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen.«
Patrick lächelte erfreut über diese Begrüßung. Er nahm die Hand, die ihm der Priester reichte, schüttelte den kalten Nieselregen ab und trat ins Haus.
»Legen Sie ab. Ich hole Ihnen gleich etwas gegen die Kälte«, sagte Eamon und suchte in der Küche nach der Whiskyflasche, die er für besondere Gäste und außergewöhnlich schlechte Tage in seiner Pfarrgemeinde bereithielt.
Patrick ließ sich an dem alten Holztisch nieder, an dem er auch bei seinem ersten Besuch vor über einem Jahr gesessen hatte. Eamon, der die Flasche endlich gefunden hatte, holte zwei Gläser und schenkte beide voll.
»Schön Sie wiederzusehen, Eamon.« Patrick hob sein Glas. »Mein Erscheinen hat im Dorf offenbar einigen Aufruhr verursacht. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir erklären, warum.«
»Ja, natürlich. Das war zu erwarten«, erwiderte der Priester. »Aber sagen Sie mir zuerst, ob Sie schon gegessen haben?«
»Die Kutsche hat zum Mittagessen an einem Gasthaus gehalten. Das ist erst ein paar Stunden her.«
»Wenn Sie wollen, können Sie heute Abend gern mit mir essen, Patrick. Allerdings gibt es nichts Besonderes. Missus Casey ist unterwegs und kommt erst spät zurück, also werde ich wohl das Essen von gestern aufwärmen müssen.«
»Wie ich Missus Caseys Küche kenne, kann es sich bestimmt mit allem messen, was ich seit meiner Rückkehr nach Irland zu mir genommen habe«, erwiderte Patrick höflich, während er einen weiteren Schluck Whisky trank. Der köstliche Geschmack half ihm, die Kälte des Tages zu vergessen.
Eamon folgte seinem Beispiel und nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck. Dann schenkte er nach, obwohl die Gläser noch gar nicht leer waren. »Sie haben sich verändert, Patrick«, sagte er, während er ihn über den alten Tisch hinweg in Augenschein nahm. »Sie wirken, als hätten Sie Dinge erlebt, die einem Mann eigentlich erspart bleiben sollten. War der Krieg schlimm?«
»Schlimm genug.« Patrick starrte auf die Tischplatte, auf der sich in über zwei Jahrhunderten tiefe Kratzer und Brandspuren angesammelt hatten. »Noch schlimmer ist es, wenn man jeden Tag hofft, dass wenigstens ein einziges Wort das Schweigen bricht.«
Eamon nahm die Brille ab und polierte sie mit dem Saum seiner Soutane. Er wusste, worauf Patrick anspielte. Verzweifelt überlegte er, wie er ihm möglichst schonend die schmerzlichen Tatsachen mitteilen konnte, die er im Dorf ohnehin bald erfahren würde. »George Fitzgerald ist vor zwei Monaten gestorben. Gott sei seiner Seele gnädig«, begann er; während er die Brille aufsetzte und Patrick direkt in die Augen blickte.
»Das wusste ich nicht.«
»Sein Tod war friedlich. Er starb im Schlaf in seinem Haus.«
»Und Catherine?«, fragte Patrick leise.
»Sie lebt nicht mehr im Dorf«, erwiderte Eamon. »Ihre Schwägerin ist letzte Woche von den Westindischen Inseln zurückgekehrt und hat bei Catherines Abreise das Haus übernommen. Niemand weiß, wo sie ist, nicht einmal ihre Schwägerin. Sie hat von George ein beträchtliches Vermögen geerbt. Außerdem gehört ihr ein Teil des Gutshauses. Ich vermute, sie finanziert mit ihrem Erbe eine Reise.«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, wo sie hinwollte? Nach Dublin? Oder London?«
»Zunächst wahrscheinlich schon«, antwortete Eamon, »aber unter den gegebenen Umständen wird sie wahrscheinlich wesentlich weiter reisen.«
»Unter welchen Umständen?«
»Sie ist einem Mann gefolgt.« Eamon wünschte sich weit fort, als er den entsetzlichen Schmerz in den Augen des jungen Mannes sah.
Patrick holte tief Atem, um sich zu beruhigen. Der Priester erhob sich, um ihn für einen Augenblick allein zu lassen, und ging in das neben der Küche liegende
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