Auf den Flügeln des Adlers
ohnehin aufhören.«
»Du hast an Luke gedacht«, meinte Sarah, während sie neben ihre Tante trat und ihr die Hand auf die Schulter legte.
Kate nickte und griff nach Sarahs Hand. Eine schlichte Geste, und doch bedeutete sie ihr so viel. »Ich bin eine der reichsten Frauen der Kolonie, und doch würde ich alles hergeben, wenn ich sein Lächeln nur noch ein einziges Mal sehen könnte.«
»Aber das kannst du doch, Tante Kate«, erwiderte Sarah leise. »Jedes Mal, wenn du den kleinen Matthew ansiehst.«
Kate blickte zu ihrer Nichte auf. Sie war stolz auf die Weisheit der jungen Frau, die sich zu einer bemerkenswerten Persönlichkeit entwickelt hatte und die Zähigkeit der Iren, aber auch der Nerambura besaß. Sie brachte es nicht über sich, Sarah zu gestehen, dass Matthews Lächeln kein Ersatz für Lukes schützende Arme und den Duft seines muskulösen Körpers war, der sie immer an den Geruch des Landes selbst erinnert hatte.
»Was hält dich so lange im Büro auf?«, fragte Sarah, um Kate von ihren melancholischen Gedanken abzulenken. »In den letzten Tagen scheint dich etwas zu beschäftigen.«
»Jetzt kann ich es dir ja sagen«, erwiderte Kate mit einem schwachen Lächeln. »Die Chancen stehen gut, dass ich den Macintoshs Glen View abkaufen kann. Ich habe erfahren, dass mein Neffe Patrick eine einflussreiche Stellung im Firmenimperium angenommen hat. Wahrscheinlich wäre er einem Angebot meinerseits nicht abgeneigt.«
Sarah rang nach Luft. Dass ihre Tante Glen View unbedingt in ihren Besitz bringen wollte, ja geradezu davon besessen war, wusste jeder. Aber die Macintoshs waren ebenso entschlossen zu verhindern, dass ein Duffy jemals seinen Fuß auf ihren Boden setzte.
»Meinst du wirklich, dass Patrick dein Angebot annehmen würde?«
»Er ist immer noch ein Duffy.« Kate war davon überzeugt, dass der Clan über allem stehen würde.
»Aber er ist auch ein Macintosh«, erinnerte Sarah sie sanft. »Die Zeit verändert die Menschen.«
»Für eine so junge Frau bist du sehr klug – aber offenbar nicht klug genug, um bei mir zu bleiben«, erwiderte Kate.
Verletzt wandte Sarah den Blick ab. »Du weißt, warum ich das Gefühl habe, ich muss Townsville verlassen und eine neue Stelle antreten, Tante Kate. Ich muss einfach die Erinnerungen hinter mir lassen, die mich hier ständig verfolgen.«
Kate fühlte sich ein wenig schuldig, weil sie ihrer geliebten Nichte Vorwürfe gemacht hatte. Das Mädchen stand ihr so nahe wie eine Tochter. Als Kleinkind war Sarah zu ihr gekommen, und über all die Jahre hatte sie ihre Freuden und ihren Kummer mit ihr geteilt. In letzter Zeit hatte es in ihrer beider Leben vor allem Kummer gegeben. Sarahs Entscheidung war wohl überlegt, aber das konnte Kate nicht trösten. Für sie würde es einen weiteren Verlust bedeuten, wenn Sarah ging. »Entschuldige meine selbstsüchtige Bemerkung, Sarah«, sagte sie sanft. »Es ist nur, weil ich dich sehr vermissen werde, und Matthew auch.«
Sarah schlang die Arme um die Schultern ihrer Tante und küsste sie auf die Stirn. »Ich werde euch beide auch vermissen, wenn ich fort bin. Aber Matthew hat doch ein gutes Kindermädchen, und du wirst weiterhin mit deiner Firma beschäftigt sein, die nur so gut läuft, weil du eine brillante Geschäftsfrau bist.«
»Schmeichlerin«, lachte Kate. In diesem Augenblick wurde ihr wirklich bewusst, wie nah ihr Sarah stand. »Weil wir beide so brillant sind«, verbesserte sie. »Zwei Frauen können es locker mit all den aufgeblasenen Männern in der Kolonie aufnehmen.«
»Kommst du jetzt nach Hause?«, fragte Sarah, und Kate erhob sich steif, um ihrer Nichte zu folgen.
»Ich komme mit. Und eines Tages werden wir gemeinsam auf Glen View die Gräber meines Vaters und seines Freundes Billy besuchen und Blumen auf Peters Grab legen.«
Sarah schwieg. Sie wusste, dass ihre Tante ihren Traum irgendwann verwirklichen würde. Es wäre wunderbar, das Land ihrer leiblichen Mutter zu betreten, durch das diese einst mit dem Clan der Nerambura gezogen und wo sie ihrem Vater begegnet war. Jenes Land, das beiden heilig gewesen war.
49
Der Staub kündigte die Ankunft der Polizeipatrouille auf Ben Rosenblums Besitz schon von weitem an. Ben, der mit zusammengekniffenen Augen in das aggressive Rot des im Osten aufgehenden Feuerballs blickte, zählte sechs berittene Polizisten. Ihr Anführer war ein hoch gewachsener Offizier, der mit der natürlichen Anmut des geborenen Reiters im Sattel saß. Als die Männer näher kamen,
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