Auf den Flügeln des Adlers
Nonkonformistin gegolten. Meinen ersten Mann habe ich gegen den Willen von Onkel Frank und Tante Bridget geheiratet. Leider sollte sich herausstellen, dass ihre Meinung von ihm nur allzu berechtigt war. Aber selbst wenn ich das gewusst hätte, ich hätte Kevin O’Keefe trotzdem geheiratet. Nein, ich bin hier, weil du der Sohn meines Bruders bist und damit zur Familie gehörst.«
Beschämt wegen seiner Überempfindlichkeit blickte Patrick zu Boden. »Tut mir Leid, dass ich die Beherrschung verloren habe«, sagte er. »Es ist nur, dass ich jetzt väterlicherseits gar keine Familie mehr habe.«
»Du wirst immer mich und deinen Vater haben«, korrigierte sie ihn liebevoll. »Wo auch immer er jetzt sein mag, ich weiß, dass ihm viel an dir liegt.«
»Ich würde dir ja gern glauben, aber der große Michael Duffy hat in all diesen Jahren nicht versucht, mich zu finden.«
»Das stimmt doch nicht, Patrick«, widersprach Kate. »Als du letztes Jahr als vermisst gemeldet wurdest, ist er sogar in den Sudan gereist, um nach dir zu suchen.«
Völlig verblüfft starrte Patrick seine Tante an. »Was meinst du damit? Wovon redest du?«
»Ich dachte, du wüsstest davon.« Kate runzelte die Stirn. »Dein Vater hat mir letztes Jahr aus Italien geschrieben, dass Lady Macintosh ihn engagiert habe, um nach dir zu suchen. Doch als er im Sudan eintraf, hatte man dich offenbar schon gefunden, und die Behörden hinderten ihn, dich zu sehen.«
»Bist du dir da ganz sicher?« Patrick beugte sich mit ausgestreckten Händen auf seinem Sessel vor, als wollte er sie um Informationen anbetteln. »Meine Großmutter hat meinen Vater engagiert, um nach mir zu suchen?«
»Ja, ich bin sicher. Dein Vater hätte mir das nicht geschrieben, wenn es nicht stimmen würde. Anscheinend hat ein gewisser Colonel Godfrey die Geleitbriefe widerrufen, mit denen er in den Sudan gereist ist.«
»Godfrey!«
»Kennst du ihn?«, fragte Kate.
»Allerdings kenne ich Colonel George Godfrey«, grollte er. »Und er wird mir mit Sicherheit alles sagen, was ich wissen will.«
Die Anspannung war so groß, dass sich Patrick erhob und begann, im Büro auf und ab zu gehen. Was er da eben erfahren hatte, würde in der Bibliothek seiner Großmutter ein Nachspiel haben.
»Tut mir Leid, dass dir diese Nachricht solchen Kummer bereitet«, meinte Kate. »Ich dachte, du wüsstest davon.«
»Ich bin nach Sydney zurückgekehrt, weil ich hoffte, die Mittel der Familie Macintosh würden es mir ermöglichen, nach meinem Vater und einer weiteren Person zu suchen. Wenigstens einmal in meinem Leben will ich ihm begegnen. Vielleicht mag ich ihn ja gar nicht, aber ich werde nie herausfinden, wer ich wirklich bin, wenn ich mich dem nicht stelle. Hast du eine Ahnung, wo er sich im Moment aufhält?«
»Wenn ich wüsste, wo dein Vater ist, würde ich es dir sagen. Aber seine letzte Adresse war in Rom, und das ist über zehn Monate her. So wie ich deinen Vater kenne, kann er inzwischen überall sein.«
»Was hat er denn in Rom getan?« Die Schärfe in Patricks Stimme erstaunte Kate. »War er allein?«
»Zumindest hat er in seinem Brief niemanden erwähnt. Er hat nur geschrieben, dass er wieder malt und in römischen Ateliers Unterricht nimmt.«
Patrick versank in brütendes Schweigen. War Catherine noch bei seinem Vater? Und falls ja – war sie seine Geliebte? Wie würde er reagieren, wenn er die beiden zusammen sah? »Danke, Tante Kate, dass du mir all das erzählt hast«, sagte er schließlich. »Ich würde dich gern für morgen Abend in Lady Enids Haus einladen, damit du mit mir und meiner Großmutter isst.«
»Das ist sehr nett von dir, Patrick, aber ich muss leider ablehnen«, sagte Kate und erhob sich. »Ich habe zwar nichts gegen dich, weil du der Sohn meines Bruders bist, aber ich werde nie einen Fuß in ein Haus der Macintoshs setzen. Außerdem habe ich für übermorgen meine Schiffspassage nach Rockhampton gebucht und muss mich vorher noch um einige geschäftliche Angelegenheiten kümmern.«
»Das tut mir wirklich sehr Leid«, erwiderte Patrick galant. »Aber ich habe das Gefühl, dass wir in Zukunft in Verbindung bleiben werden, ganz gleich, was noch alles geschieht.«
Impulsiv beugte Kate sich vor, um ihren Neffen auf die Stirn zu küssen. »Wenn dich dein Vater doch nur sehen könnte«, seufzte sie. »Er wäre so stolz auf dich.«
»Ich hoffe, du hast Recht, Tante Kate.« Patrick begleitete seine Tante auf die Straße hinaus, wo er eine Droschke anhielt und ihr beim
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