Auf den Flügeln des Adlers
schätzen, aber hier stehen wichtigere Dinge auf dem Spiel als Ihre wenig angebrachte Loyalität.«
Hobbs antwortete nicht. Lieber wollte er sich im Jenseits für seinen Verrat verantworten, als dass er sich in diesem Leben mit dem Teufel anlegte. Was gingen ihn die Kämpfe der Reichen an? Er war doch ohnehin nur ein Bauer in ihrem Spiel. Zumindest hatte Mister White ihm den Verrat mit einer ansehnlichen Summe versüßt. Er wusste, dass seine Aussage, die Granvilles gefälschte Eintragungen bestätigte, vernichtend war. Im Geiste sah er schon die Schlagzeilen vor sich, wenn die Zeitungen erst herausfanden, dass angeblich Gelder an eine Organisation geflossen waren, die die Regierung als Bedrohung für den Frieden im britischen Empire betrachtete: HELD DES SUDAN VERRÄT DAS EMPIRE …
Doch wahrscheinlich würden die Zeitungen gar nicht von den Einträgen erfahren, tröstete Hobbs sich. Mister White würde sich vermutlich damit begnügen, Captain Duffy mit dem gefälschten Beweismaterial zu konfrontieren. Dieser würde schnell erkennen, welchen entsetzlichen Skandal es für Lady Enid bedeuten würde, wenn die Anschuldigungen an die Öffentlichkeit gelangten. Natürlich würde er wissen, dass die Vorwürfe aus der Luft gegriffen waren, aber er war ein kluger Mann und besaß eine gehörige Portion gesunden Menschenverstand. Mister White hatte sein Wort als Ehrenmann gegeben, dass er von Captain Duffy nur verlangen würde, als Leiter der Transportabteilung zurückzutreten. Dafür sollte er eine Rente erhalten, die es ihm ermöglichte, in die Miliz der Kolonie einzutreten. Nachdem Patrick viel an der Armee lag, hatte Hobbs dem Captain auf lange Sicht mit seiner Aussage wahrscheinlich sogar einen Gefallen getan.
»Sie können jetzt gehen, Mister Hobbs«, sagte Granville, ohne ihn anzusehen. »Vergessen Sie nicht, dass Ihre Unterstützung in dieser Angelegenheit nicht nur für Sie selbst, sondern auch für die Zukunft des Unternehmens wichtig ist. Unter meiner Leitung können Sie natürlich mit einer Beförderung rechnen.«
»Danke, Mister White«, murmelte Hobbs, während er sich erhob und zur Tür ging. Als er sie hinter sich schloss, fiel ihm ein schmaler, nervös wirkender Mann auf, der mit dem Hut in der Hand im Vorzimmer stand.
»Mister Hobbs, nicht wahr?«, begrüßte ihn der Neuankömmling. Nun fiel George auch ein, wer der Mann war. Der Gedanke verursachte ihm Übelkeit. War Mister White in Sydney so mächtig, dass er Lady Enids Zeitung für seine widerliche Verschwörung benutzen konnte, mit der er den Namen eines wirklichen Helden besudeln wollte?
»Mister Larson, setzen Sie sich doch.« Granville erhob sich und deutete auf den Stuhl, auf dem eben noch George Hobbs gesessen hatte. »Ich würde ja gern sagen, es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen, aber ich fürchte, unter den gegebenen Umständen habe ich Ihnen nicht viel Erfreuliches mitzuteilen.« Als Larson Platz nahm, spürte Granville eine bohrende Angst. Er hatte gewusst, dass es einfach sein würde, George Hobbs zur Kooperation zu zwingen. Schließlich kannte er den Mann seit vielen Jahren. Im Grunde war er ein Schwächling, der sich von Mächtigeren leicht beeinflussen ließ. Doch der Redakteur von Enids Zeitung war ein anderer Fall. Mister Larson stand in den späten Vierzigern und war für seine Integrität bekannt – für einen Journalisten höchst ungewöhnlich. Aber es hieß auch, dass er mit Eifer Storys verfolgte, die die oberen Klassen in Misskredit brachten. Genau diese Kombination aus Integrität und Engagement wollte Granville gegen Patrick Duffy einsetzen.
»Ich habe eine Nachricht erhalten, Sie hatten eine Story über Captain Duffy für mich?«, sagte Larson ohne Umschweife. »Ihnen ist klar, dass ich für Lady Macintosh arbeite?«
Granville zwang sich zur Gelassenheit. »Genau deswegen habe ich mich an Sie gewandt. Ich wollte nicht, dass die Geschichte durch einen anderen Journalisten aufgedeckt wird.«
»Wovon reden Sie, Mister White?«
Granville entdeckte die Spur eines Interesses in Larsons Stimme. Offenbar witterte der Journalist plötzlich eine Schlagzeile. Die Anspannung ließ nach. Er wusste schon, wie er diese Begegnung so gestalten würde, dass er Enids Redakteur auf seine Seite zog.
»Ich fürchte, die Sache mit Captain Duffy wird am Ende auf jeden Fall herauskommen, da könnten wir uns noch so sehr bemühen, die Tatsachen zu vertuschen. Deshalb bin ich zu der Ansicht gelangt, dass Sie als Erster davon erfahren
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