Auf den Flügeln des Adlers
erwiderte Fiona ehrlich. »Wie können sich deine Töchter gegen dich wenden, wenn du sie seit Jahren nicht gesehen hast?«
»Beide weigern sich, mir ihre Anteile an den Macintosh-Unternehmen zu verkaufen. Ich habe heute einen Brief aus Deutschland erhalten.«
Jetzt war Fiona klar, was ihr Ehemann von ihr wollte. »Sie sind alt genug, um selbst zu wissen, was das Beste für sie ist, Granville. Wenn sie ihre Anteile an den Unternehmen behalten wollen, ist das ihr gutes Recht.«
»Du weißt verdammt gut, dass sie sie normalerweise an mich als ihren Vater verkauft hätten. Es sei denn, jemand hätte ihnen davon abgeraten.«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, heuchelte Fiona.
»Verlogene Hure«, zischte Granville wutentbrannt. »Dorothy hat mir geschrieben, dass du ihr und Helene geraten hast, nicht an mich zu verkaufen.«
Fiona antwortete nicht darauf. Sie fragte sich, ob er bluffte, damit sie ihre Lüge zugab. Ihren Töchtern hatte sie geraten, nicht zu erwähnen, dass sie ihnen empfohlen hatte, die Anteile zu behalten. Jedes Leugnen musste fruchtlos sein – und Schweigen war weniger belastend.
»Oder hat ihnen deine Mutter geschrieben?«, sinnierte Granville, während er an seinem Zigarillo sog, der das Schlafzimmer mit seinem stechenden Rauch erfüllte. »Das würde ich ihr durchaus zutrauen.«
Er hat also geblufft, dachte Fiona erleichtert. Dorothy hatte ihr Vertrauen nicht enttäuscht.
»Auch egal«, meinte er brütend. »Sobald ich den Verkauf von Glen View organisiert habe, reise ich nach Deutschland und erkläre ihnen meine Argumente.«
»Du kannst Glen View nicht verkaufen!« Fiona war schockiert. »Der Besitz bedeutet meiner Familie sehr viel.«
»Deiner Familie!«, explodierte er. »Ha! Du verachtest deine Mutter und hast immer behauptet, du würdest alles tun, was in deiner Macht steht, um ihr zu schaden.« In diesem Augenblick fiel ihm ein, dass Lady Enid nicht ihre einzige Angehörige war. »Du meinst deinen Bastard, diesen Patrick Duffy, was? Willst du etwa die Anteile meiner Töchter selber kaufen?«
Fiona fühlte erneut, wie ihr die Galle in der Kehle hochstieg. »Ich protestiere dagegen, dass du den Ort verkaufst, an dem mein Vater und mein Bruder begraben liegen, Granville. Das ist alles. Aber du kannst ja nicht verstehen, dass eine Frau in solchen Dingen sentimental ist.«
»Meine Schwester ist da bestimmt viel verständnisvoller«, fauchte er. »Sprecht ihr von Sentimentalität, wenn ihr miteinander im Bett liegt? Oder schreist du vor Lust, wenn sie sich über deinen Körper hermacht?«
Fiona spürte, wie ihr Gesicht brennend rot wurde, als ihr Ehemann plötzlich über die Beziehung herzog, die ihr neben der zu ihren Kindern am wertvollsten war. Niemand außer ihrer zärtlichen und gleichzeitig leidenschaftlichen, langjährigen Geliebten verstand, was sie beide miteinander verband. Aber das erwartete sie auch von niemandem.
»Was treibt ihr denn so im Bett?«, fragte er wütend. »Seid ihr …«
»Halt den Mund, Granville«, fuhr sie ihn an. »Halt deine schmutzige Klappe. Du mit deiner Vorliebe für kleine Mädchen brauchst mir wirklich nichts vorzuwerfen! Ich weiß alles über deine Laster, auch von Jenny Harris, die dir einen Sohn geboren hat, als sie erst dreizehn war.«
Granville wurde leichenblass. Er hatte gedacht, Fiona wüsste nichts davon, und bereute es, sie zu dieser Enthüllung getrieben zu haben. Immer wieder hatte ihn der Gedanke heimgesucht, dass seine Frau in den Armen seiner eigenen Schwester lag, und ihn fast zum Wahnsinn getrieben. »Weiß dein kostbarer Sohn denn, dass seine Mutter eine Hure ist, die mit einer anderen Frau schläft?«, konterte er.
Aber Fiona war entschlossen, sich nicht erpressen zu lassen. »Ich bezweifle, dass du ihm etwas erzählen könntest, was seinen Hass auf mich noch steigern würde«, gab sie zurück. Granville zuckte die Achseln. »Da wir gerade dabei sind, kann ich dir genauso gut gleich sagen, dass ich plane, Ende des Jahres nach Deutschland zu reisen, um dort mit Penelope und meinen Töchtern zu leben. Und wenn du fragst, was Manfred davon hält, kann ich dir versichern, dass er voll und ganz einverstanden ist. Er ist nämlich ein richtiger Mann – wenn du weißt, was ich meine.«
Angesichts dieser Beleidigung seiner Männlichkeit erhob sich Granville von seinem Stuhl und trat auf seine Frau zu. Fiona ergriff nackte Angst angesichts des ungezügelten Hasses, der den Raum erfüllte und sich jeden Augenblick in Gewalt gegen sie
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