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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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entladen konnte. Schon wollte Granville zuschlagen, doch im letzten Augenblick zögerte er. Sein maskenhaftes Lächeln hing drohend über ihr, und sein Gesicht kam ihr wie der Inbegriff von List und Bosheit vor. »Du bist den ganzen Kummer, den du mir verursacht hast, nicht wert«, sagte er mit kontrollierter Stimme. »Ich könnte dir Schmerzen zufügen, die du dir nicht einmal in deinen übelsten Albträumen vorzustellen wagst.«
    Damit wandte er sich ab und ging zur offenen Tür. Fiona sah ihm nach, wie er das Zimmer verließ und hinter sich die Tür zuschlug. Versteinert lag sie im Dunkeln und hielt die Decke, die sie immer noch bis unter das Kinn gezogen hatte, umklammert. Sie kannte ihren Ehemann nur allzu gut. Das war keine leere Drohung gewesen. Irgendwie wusste sie, dass seine letzte Bemerkung Patrick gegolten hatte.
     
    In der Great Australian Bight kämpfte die Lady Jane gegen riesige schwarze Wellen. Antarktische Strömungen sorgten für eisige Wassertemperaturen. Patrick Duffy stand an Deck wie damals, als er als Kind um das Kap der Guten Hoffnung nach England gesegelt war. Das Knarren der Hanftakelage, die die riesigen quadratischen Segel hielt, rief zahlreiche Erinnerungen in ihm wach.
    Der Bug des anmutigen Schiffs glitt auf eine Welle hinauf und stürzte mit furchterregender Geschwindigkeit in das Wellental dahinter hinab. Für einen Augenblick schlingerte die Lady Jane, während sie gegen die Sturzseen kämpfte, die über dem Heck zusammenzuschlagen drohten. Das unheimliche Heulen des Windes erinnerte Patrick an Banshee, die Todesfee der alten irischen Sagen. Die tobenden Winde durchnässten ihn mit einem salzigen Nieselregen, doch diese Unbequemlichkeiten bedeuteten Patrick, der die Reling fest umklammert hielt, wenig. Hier, in der einsamen Weite des Ozeans, konnte er über sein Leben nachdenken. In seiner Tasche steckte immer noch Sheela-na-gig, die kleine Steingöttin.
    Der Kapitän der Lady Jane hatte ihm beim Abendessen mitgeteilt, dass sie innerhalb von vier Wochen in Port Elizabeth Anker werfen würden, wenn es Gottes Wille war und der Wind hielt. Nicht schnell genug für Patrick, der gedacht hatte, er würde niemals nach Afrika zurückkehren. Was würde er tun, wenn er endlich seinem Vater gegenüberstand, der nun sein Rivale um Catherines Liebe war?
    Doch in den heulenden Winden des südlichen Meeres fand er keine Antwort, und so wandte er sich von der Reling ab, um vorsichtig über das schwankende Deck des Klippers zu gehen. Er wollte dem Kapitän bei einer Partie Rommee und einer Flasche Whisky Gesellschaft leisten.

55
    Gordon war davon überzeugt gewesen, dass er Sarah Duffy niemals wiedersehen würde. Doch nun stand sie auf der Veranda des Verwalterhauses von Balaclava und blickte ihm mit rätselhafter Miene entgegen, als er mit seinen Polizisten und dem Gefangenen im Schlepptau auf den Hof ritt.
    Die Verwirrung durchfuhr ihn wie elektrischer Strom. Ihre Augen trafen sich. In Sarahs Blick sah er weder Freude, was er auch kaum erwarten konnte, noch Bitterkeit, was durchaus verständlich gewesen wäre, sondern nichts als eine unergründliche Tiefe, die völlig ausdruckslos blieb.
    »Absteigen!«, befahl er. Dankbar glitten die Polizisten aus dem Sattel, um ihre müden Körper in dem staubigen Hof vor dem Haus, das wesentlich repräsentativer als das auf Glen View war, zu strecken und zu dehnen.
    Sarah sagte nichts, als die Polizisten grob an dem Weißen zerrten, der noch im Sattel saß. Seine Hände waren in Eisen gelegt, und er sah sehr mitgenommen aus. Unter dem Hut trug er einen Verband um die obere Schädelhälfte.
    Calder wehrte sich kaum gegen die ruppige Behandlung. Wegen des Schlages auf den Kopf, den ihm Terituba mit seiner Kriegsaxt versetzt hatte, ging es ihm tatsächlich sehr schlecht. Während des zweitägigen Ritts nach Balaclava hatte Gordon einige Male gedacht, der Tod würde dem Henker seine Beute entreißen.
    »Polizisten, Missus Rankin«, rief Sarah ins Haus hinein.
    Adele Rankin eilte auf die Veranda, um die Besucher willkommen zu heißen. Wie Sarah trug sie ein Kleid mit enger Taille, das hinten über einer Tournüre gerafft war. Adele Rankin war Ende dreißig, aber die Sonne von Queensland hatte ihre Haut vor der Zeit trocken und faltig werden lassen. Trotzdem war ihr Gesicht angenehm und nicht unattraktiv. »Ich sehe, Sie haben einen Verwundeten bei sich, Inspektor«, rief sie Gordon zu, als sie seinen Rang erkannte. »Bringen Sie ihn zur Küche hinten am Haus.«

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