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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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freiwillig zu melden. Vier kräftige Soldaten waren nötig, um seinen schlaffen Körper zu dem Sanitätsteam zu tragen, das mit seinen Wagen in der Mitte der Verteidigungsanlagen stand.
    Das wirre Gerede des Kolonialsoldaten mit dem Hitzschlag blieb den Sanitätern, die seine Stirn und seinen Hals mit Wasser kühlten, rätselhaft. … Captain Duffy von der schottischen Brigade, hörte der Stabsarzt. Er lebt und ist unschuldig!
    Der Stabsarzt kannte Patrick Duffy und fragte sich, warum ein Kolonialsoldat etwas von dessen Unschuld brabbelte. Vielleicht würde er die Sache zur Sprache bringen, wenn er Patrick das nächste Mal traf. Im Augenblick jedoch war sein Patient ernsthaft krank, und der Stabsarzt hatte mehr Soldaten an Krankheiten sterben sehen als an Kampfverletzungen.
     
    In der Nacht kamen die Derwische, wie Patrick es vorhergesehen hatte. Die Kugeln der Scharfschützen außerhalb des Verteidigungsrings verjagten die Männer schnell aus dem Lichtkreis der Lagerfeuer. Die ranghöheren Unteroffiziere bellten Befehle, Männer griffen fluchend nach ihren Gewehren, ein durch die gestörte Nachtroutine aufgeschrecktes Maultier wieherte – alles Geräusche, die Patrick nicht länger in Panik versetzten. Sie planten also keinen nächtlichen Angriff, dachte er einigermaßen erleichtert, sonst hätten sie sich nicht durch Schüsse angekündigt. »Wahrscheinlich werden Sie heute Nacht doch Ihre Mütze voll Schlaf bekommen, Private MacDonald«, sagte er zu dem Schotten, der sein Gewehr fest umklammert hielt und mit der Hand nach dem Bajonett tastete, das in der Scheide an seinem Gürtel hing. »Heute Nacht wird der Mahdi nicht kommen.«
    Eine Gewehrsalve vom äußeren Verteidigungsring erwiderte das Feuer. Die Artilleriegeschütze, die die Armee mit sich führte, schleuderten Granaten in die Richtung des Scharfschützenfeuers, bis die Gewehre der Angreifer verstummten. Innerhalb der relativen Sicherheit der Zareba konnten sich die Männer ausruhen, weil sie wussten, dass ihre Geschütze den Feind in Schach hielten. Mitten im Getöse von Gewehr- und Artilleriefeuer lag Patrick auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und sah zu dem wunderschönen Zelt kristallklarer Sterne hinauf. Uralte Lichter, die in den harten, gottverlassenen Landstrichen des Planeten ihre gesamte Pracht zeigten.
    Es war ein seltsamer Augenblick, um über Catherine Fitzgerald nachzudenken, wenn ihn jederzeit der Tod in Gestalt eines unsichtbaren Derwischs ereilen konnte, der blindlings in die Schanze hineinfeuerte. Als Verbindungsoffizier blieb ihm jedoch kaum etwas zu tun. Der Brigademajor hatte sich mit dem Brigadekommandeur verschworen, um ihm die nötige Ruhe zu verschaffen, damit er sich vollständig von seiner Verletzung erholen konnte. Er musste sich nur zweimal am Tag ganz in der Nähe beim Hauptquartier melden, wo er von Major Hughes stets das Gleiche zu hören bekam: »Behalten Sie die Tommy-Stängel im Auge, Captain Duffy. Wenn sie Rat brauchen, helfen Sie ihnen. Ach, und bitte melden Sie sich regelmäßig beim Sanitäter, damit der sich um Ihre Wunde kümmert. Das ist so ziemlich alles, Junge.«
    »Catherine, warum antwortest du nicht auf meine Briefe?«, seufzte Patrick leise, während sich die Erschöpfung nach dem harten Marsch wie eine erstickende Decke über ihn legte und ihn in seiner Einsamkeit in den Schlaf zu wiegen begann. Würde ihn der quälende Traum in der Nacht erneut heimsuchen?
    »Wie bitte, Sir?«
    »Nichts, Private MacDonald. Ich habe nur laut gedacht.«
    Patrick sah zum samtschwarzen Nachthimmel auf, wo sich die Sternbilder langsam drehten. Er konnte sich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Der Schlaf war wie der Tod – ein Nichts, in dem das bewusste Ich ausgelöscht war, eine Art Zustand des Vergessens.
    In den langen Nachtstunden kehrten die Tapfereren unter den Derwisch-Scharfschützen zurück, um aufs Geratewohl in die Masse der britischen Soldaten zu feuern, die sich hinter ihren Wall aus Steinen, Gewehren und Bajonetten kauerten. In der ganzen Nacht war nur ein Toter zu beklagen: ein Soldat, der von einem Offizier für einen Derwisch gehalten und irrtümlich erschossen worden war. Doch die vereinzelten Schüsse störten Patricks tiefen und traumlosen Schlummer nicht. Es war der erschöpfte Schlaf des erfahrenen Soldaten.
     
    Private MacDonald hielt ihm einen Becher dampfenden Kaffee und eine Hand voll harter Kekse unter die Nase. »Morgen, Sir, und frohe Ostern!«, begrüßte er ihn

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