Auf den Flügeln des Adlers
munter. »Major Hughes lässt ausrichten, Sie sollen sich beim Stabsarzt melden, bevor wir heute Morgen abmarschieren.«
Patrick setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Großer Gott! Ist schon Ostern?«
Der hünenhafte Schotte grinste fröhlich auf ihn herab. »Karfreitag, Sir. Gibt aber keinen Osterfladen.«
»Das wäre wohl auch zu viel erwartet.« Grinsend nippte Patrick an seinem Becher. Der dampfende Kaffee schmeckte gut – sein Bursche hatte dafür gesorgt, dass er kräftig gesüßt worden war. »Die Männer des Mahdi dürften aber nicht viel Grund zur Freude haben, wenn wir sie heute einholen.«
»Nein, Sir, da haben Sie Recht.«
Nachdem er gefrühstückt hatte, rasierte sich Patrick eilig, wobei er sein Gesicht mit dem letzten Rest Kaffeesatz befeuchtete. Der Zucker war klebrig, aber die Rasierklinge hinterließ eine glatte Haut. Wasser war kostbar, und er fragte sich, warum er sich nicht einen Bart wachsen ließ wie viele der anderen Soldaten. Dann hätte er auf sein Morgenritual verzichten und kostbare Zeit sparen können.
Nach der Rasur hob Patrick sein Segeltuchgeschirr mit Riemen, Gürtel und Taschen auf, das eine Armlänge von der Stelle entfernt lag, an der er geschlafen hatte. Entsetzt erstarrte er. Während der Nacht hatte ihn die Kugel eines Scharfschützen nur um Bruchteile eines Zentimeters verfehlt und sich stattdessen in den Beutel mit der kleinen Göttin gebohrt. Abergläubisches Entsetzen packte ihn. War Sheela-na-gig verletzt?
Mit bebenden Händen öffnete er den Beutel und sah hinein. Unversehrt lag sie unter der Reservemunition für seinen Revolver. »Dann sind wir also immer noch zusammen, kleine Göttin«, flüsterte er, während er mit den Fingern das rätselhafte Lächeln auf dem Gesicht der keltischen Göttin berührte. Du bist nicht weniger schweigsam als Morrigan selbst, dachte er traurig. Hatte Catherine einen anderen?
Unter der Plane eines Lazarettwagens lag Private Farrell im Koma. Der Stabsarzt untersuchte ihn und runzelte die Stirn. Der Zustand des Mannes war nicht gut. Eigentlich müsste er nach Suakin ins Krankenhaus zurückgeschickt werden, dachte Major Grant besorgt. Doch sie befanden sich tief in feindlichem Territorium, und die Kranken und Verwundeten würden bleiben müssen, bis General Graham davon überzeugt war, dass die Derwisch-Krieger nicht in der Lage waren, die Kommunikationslinien hinter ihnen zu unterbrechen.
Major Grant erinnerte sich an das wirre Gebrabbel des Mannes, bevor er während der Nacht ins Koma gefallen war. Der australischirische Freiwillige schien Captain Duffy von der schottischen Brigade zu kennen, der in diesem Augenblick über den offenen Platz auf ihn zukam. »Patrick, kommen Sie mal her«, rief der Major. »Ich habe hier einen Mann aus den Kolonien, der aus unerfindlichen Gründen immer wieder Ihren Namen nennt.«
Patrick begrüßte den Arzt, mit dem er sich während zahlreicher Schachpartien in der Offiziersmesse angefreundet hatte. Er blieb hinter dem Wagen neben dem Arzt stehen und blickte auf das Gesicht von Francis Farrell herab.
»Kennen Sie den überhaupt?«, fragte der Stabsarzt.
»Nicht dass ich wüsste«, erwiderte Patrick, wobei er langsam den Kopf schüttelte. Aber irgendetwas an dem Mann kam ihm vertraut vor. »Wer ist das?«
»Private Francis Farrell vom Kontingent aus Neusüdwales.«
»Constable Farrell!«, rief Patrick aus. Erinnerungen strömten auf ihn ein: milde Sommerabende im Hinterhof des Erin in Sydney, der alte Max und der große irische Polizist, die sich gegenseitig Geschichten erzählten und dabei Onkel Franks Grog tranken, Gelächter und Patrick beim Sparring mit dem Polizisten, während Max ihn in schönstem Hamburger Platt anfeuerte, das mit englischen Ausdrücken gespickt war, die ein kleiner Junge eigentlich weder hören noch benutzen sollte.
»Aha, sieht so aus, als würden Sie ihn doch kennen«, sagte Major Grant. »Offenbar war er irgendwann in seinem Leben Polizist.«
»In Sydney«, entgegnete Patrick, während er schockiert in Farrells blasses, vom Fieber gezeichnetes Gesicht starrte. »Er war ein guter Freund der Familie. Er und Max haben mich vor langer Zeit in die Kunst des Boxens eingeführt.«
»Dann habe ich also die Ehre, einen der Männer zu betreuen, der Ihnen diese männliche Fertigkeit beigebracht hat«, meinte der Stabsarzt mit ironischem Lächeln. »Offenbar ein guter Lehrer, nach Ihren Leistungen bei den Brigade-Boxkämpfen zu urteilen.«
Major Grant
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