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Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Titel: Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: fhl Verlag Leipzig UG
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bis er sehr langsam den Kopf wieder hob.
    Er will es so spannend machen wie möglich, dachte Bachmann, es ist nichts anderes als eine Show, so, wie bei allen Hellsehern, ihre Handlungen sind einstudiert, selbst hier, in dieser Einöde, sie sind alle gleich, an jedem Ort der Welt. Ein Grinsen, bösartig und verächtlich, breitete sich aus auf seinem Gesicht, bis der Alte seine Lider wieder hob und ihn anschaute. Sein Grinsen erlosch, und er spürte einen leichten Kopfschmerz bei diesem Blick. Hatte nicht Kassandra den Tod des Agamemnon vorausgesehen, ehe sie seine Burg als Gefangene betrat und auch ihren eigenen? Kassandra, die Seherin – niemand hatte ihr je geglaubt, obwohl sie alles Kommende sah. Was aber sah der Alte? Ein wirklicher Seher müsste ein von Gott begnadeter Mensch sein, wenn es ihn denn wahrhaftig gab oder er war nur ein Scharlatan, verlogen und teuer.
    Wieder blickte der Alte auf die Handflächen herab, und Bachmann bemerkte, dass er seine Stirn runzelte, um dann erneut die Augen zu schließen, wobei er heftig zu atmen und sein Brustkorb sich zu weiten begann, ehe er wieder in sich zusammenfiel.
    »Was ist?«, wollte Bachmann wissen.
    Der Alte schwieg noch immer, mit undurchdringlichem Gesicht saß er ihm gegenüber, atmete schwer und sein Adamsapfel bewegte sich krampfhaft, hüpfte wie ein unter der Haut eingeschlossenes kleines Tier, das den Weg nach draußen suchte, der verschlossen war.
    »Was haben Sie gesehen?«, drängte er ungeduldig.
    Der Alte schlug unversehens die Augen auf und starrte wie geistesabwesend an ihm vorbei, schwieg aber nach wie vor, hockte dabei auf seinem Stuhl wie in Trance und wirkte wie ein schweigender Bote des Unheils.
    Kopfschüttelnd blickte er den Alten an, ehe er sich erhob, die Küche wortlos verließ und dann das Haus, um draußen den grasbewachsenen Berg hinaufzusteigen, höher und höher, dem Plateau entgegen.
    Das ist sicher kein guter Wink des Schicksals, dachte er grimmig. Hat der Alte etwas gesehen, was er mir nicht verraten will?
    Ein Frösteln überlief seinen Rücken, das aber so rasch verschwand, wie es gekommen war. Ich habe nie Angst gehabt in meinem Leben, dachte er und auch der verfluchte Alte wird dieses Gefühl nicht in mir wecken.
    Keuchend blieb er stehen, blinzelte in die Sonne, grübelte. Hat der Alte etwa meinen Tod gesehen, schoss es ihm unversehens durch den Kopf. Vielleicht war es gut, Sarah von dieser Begegnung nichts zu erzählen, da er sie sonst nur beunruhigen würde, vielleicht wäre es sogar besser gewesen, wenn er diesen Besuch überhaupt unterlassen hätte, der eine echte Dummheit gewesen war. Hatte er denn je an den Unfug der Hellseherei geglaubt? Nein! Aber eine gewisse Beunruhigung verspürte er nun doch, denn die Gefahr bestand ja für ihn, ohne Zweifel, denn er musste, ob er wollte oder nicht, auch den eigenen Tod in Erwägung ziehen. Als Emmerlein oben am Abgrund hinter ihm gestanden hatte, konnte er dem Tod sehr nahe gewesen sein, so nahe wie nie zuvor in seinem Leben, dessen war er sich wohl bewusst. Emmerlein konnte sein eigenes Leben, das nun wieder neu begann, nur retten, wenn er den tötete, der es ihm nehmen wollte.
    Fest presste er die Lippen aufeinander, als er weiter den Berg hinaufstieg und endlich seine breite Kuppe erreichte und den Blick seiner Augen schweifen ließ. Eine nahezu drohende und klare Stille lag über dem Nordmeer, die ihm fremd vorkam und unheimlich. Die Stille des Meeres und die Stille des Alten schienen einen gemeinsamen Bezug zu haben, den er nicht deuten konnte, aber der nichts Gutes verhieß, wenn er bereit war, einen mystischen Sinn in ihm zu suchen. Doch wusste er nun: Wachsamkeit war geboten, eine nie endende Wachsamkeit, rund um die Uhr. Es ging auch für ihn um Leben oder Tod!

    Später schlenderte er durch das Dorf, trat in ein verfallendes, ehemals rotes, nun aber stark verblichenes Holzhaus, in dem die Scheiben fehlten und seine Schritte auf den Dielen auf eine seltsame Weise sehr laut zu hallen schienen.
    Und da sah er das Kanu, er sah es so, als wäre es aus dem Nichts gekommen, ein Boot, in dem Sarah saß, aber auch Emmerlein! Sarah, die sich doch eigentlich sonnen wollte auf den Uferfelsen oder lesen? Reglos stand er, presste die Hände zu Fäusten. Sie war also mit Emmerlein hinausgefahren? Zum Angeln oder zu einem stillen Ort in den Klippen, wo man sie beide nicht sehen konnte?
    ›Du selbst hast ihr geraten, sich unauffällig zu benehmen‹ riet die Stimme in ihm. ›Was ist

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