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Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mich zählen.«
    *
    Glenn Jackson hatte keine Angst vorm Sterben.
    Er wußte, was nach dem Tod kam, und fürchtete sich nicht. Wenn der Herr ihn heimrief – nun gut, dann war er bereit. Dennoch sorgte er sich um seine Familie. Sie waren gerade erst aus dem Iran evakuiert worden und lebten jetzt im Haus seiner Mutter in Osttexas. Er hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, sich nach einer Bleibe für sie umzusehen. Sich auf dieses Unternehmen einzulassen, hieß gleichzeitig, sich nicht um die Familie kümmern zu können: Alles würde an Carolyn hängenbleiben. Sie war kein sonderlich selbständiger Mensch, und es würde ihr nicht leichtfallen.
    Hinzu kam, daß sie ohnehin schon sauer auf ihn war. Sie hatte ihn an diesem Morgen nach Dallas begleitet, dochSculley hatte ihn angewiesen, sie wieder nach Hause zu schicken. Sie durfte nicht zusammen mit ihrem Mann im Hilton wohnen, und das hatte sie auf die Palme gebracht.
    Doch Paul und Bill hatten ebenfalls Frau und Kinder. »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«, hieß es in zwei Bibelstellen: im dritten Buch Mose, Kapitel 19, Vers 18, und im Matthäus-Evangelium, 19, 19. Und wenn ich selber in einem Teheraner Gefängnis hockte, dachte Jackson, dann wäre ich auch heilfroh, wenn sich andere für mich einsetzten.
    Und er meldete sich freiwillig.
    *
    Sculley hatte sich schon vor Tagen entschieden.
    Noch bevor Perot den Gedanken an eine solche Rettungsaktion aufs Tapet brachte, hatte Sculley bereits mit anderen darüber diskutiert. Der Gedanke war ihm einen Tag nach Pauls und Bills Verhaftung gekommen, dem Tag, an dem er gemeinsam mit Joe Poché und Jim Schwebach aus Teheran ausgeflogen wurde. Sculley war sehr unglücklich darüber gewesen, die beiden zurückzulassen, vor allem deshalb, weil sich gewalttätige Exzesse in Teheran in den letzten Tagen gehäuft hatten. Zu Weihnachten waren zwei Afghanen, die man beim Klauen im Basar erwischt hatte, kurzerhand vom Mob aufgeknüpft worden; einem Taxifahrer, der versucht hatte, sich in der Schlange vor einer Tankstelle nach vorne zu drängeln, war von einem Soldaten eine Kugel in den Kopf gejagt worden. Was würden sie erst, wenn es einmal richtig losging, den Amerikanern antun? Er mochte gar nicht daran denken.
    Im Flugzeug hatte Sculley neben Jim Schwebach gesessen. Beide waren überzeugt, daß Paul und Bill in Lebensgefahr schwebten. Und Schwebach mit seinen Erfahrungen bei geheimen Kommandoaktionen stimmte mitSculley darin überein, daß es ein paar entschlossenen Amerikanern möglich sein müßte, zwei Männer aus einem iranischen Gefängnis zu befreien.
    Deswegen war Sculley freudig überrascht, als Perot ihm drei Tage später sagte: »Daran hab’ ich auch schon gedacht.«
    Sculley hatte sich selbst auf die Liste gesetzt.
    Er brauchte keine Bedenkzeit.
    Er war dabei.
    *
    Sculley hatte Coburn auf die Liste gesetzt, ohne ihm etwas davon zu sagen.
    Und er hatte recht behalten: Auch Coburn wollte dabeisein. Liz wird das gar nicht gefallen, dachte Coburn.
    Er seufzte. In letzter Zeit gab es so vieles, wovon seine Frau alles andere als angetan war.
    Sie klammerte sich zu sehr an ihn, fand er. Sie war unzufrieden mit seinem Job als Berufssoldat gewesen, mochte es nicht, daß er seinen eigenen Hobbys nachging, noch fand sie sich damit ab, daß er für einen Boß arbeitete, der sich die Freiheit nahm, ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit wegen irgendwelchen Spezialaufgaben anzurufen.
    Sein Leben hatte noch nie ihren Vorstellungen entsprochen, und jetzt war es vermutlich zu spät, einen Neuanfang zu machen. Ging er nach Teheran, um Paul und Bill zu retten, würde Liz ihn deswegen vielleicht hassen; ging er nicht, weil sie ihn daran hinderte, wäre es wahrscheinlich gerade umgekehrt.
    Tut mir leid, Liz, dachte er, aber es ist wieder mal soweit.
    *
    Jim Schwebach traf erst am späten Nachmittag ein und bekam von Perot die gleiche Rede zu hören.
    Schwebach hatte ein sehr stark entwickeltes Pflichtbewußtsein. Ursprünglich hatte er Seelsorger werden wollen, doch zwei Jahre an einem katholischen Priesterseminar hatten ihn auf ewig für die institutionalisierte Religion verdorben. In Vietnam war er einer ganzen Menge Leute begegnet, die ihren Job mehr schlecht als recht erledigten; er wußte, daß er es besser konnte. Und er hatte sich gesagt: Wenn ich mich jetzt drücke, springt ein anderer für mich ein, der’s nicht halb so gut macht wie ich, und dann wird ein Kamerad einen Arm, ein Bein oder sogar sein Leben verlieren. Ich

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