Auf Den Schwingen Des Boesen
liebt?«
Er blieb einen Moment lang stumm. »Aber wer hat so viel zu bewältigen wie du? Niemand ist wie du. Niemand ist oder war jemals das, was du bist oder warst. Du veränderst dich und versuchst, dich dieser Welt anzupassen.«
»Das ist keine Entschuldigung dafür, mich von meiner Macht beherrschen zu lassen und unschuldige Menschen zu verletzen.«
»Stimmt, aber wir müssen versuchen, dich zu verstehen«, sagte er nachdenklich. »Du stammst aus zwei Welten, Himmel und Erde. Deine Fähigkeiten könnten grenzenlos sein. Es geht nicht darum, ob du deine Macht kontrollieren kannst. Dein Körper ist menschlich, und deine Macht ist die eines Erzengels – du bist das machtvollste Wesen, das jemals geschaffen wurde. Deine Existenz birgt einen unüberwindbaren Widerstreit. Ein Erzengel war nie dazu bestimmt, als menschliches Mädchen zu leben.«
Was er sagte, war fast dasselbe, was Michael mir erklärt hatte auf meine Frage, warum ich von meinen Gefühlen und Kräften überwältigt wurde. Vielleicht hatten er und Cadan Recht. »Irgendwas läuft falsch bei mir.«
»Nein«, sagte er und streichelte meine Wange. Die Berührung war tröstlich, und seine Hand war überraschend warm. Kälte konnte Reapern nie etwas anhaben. »Bei dir läuft nichts falsch. Während all deiner Lebzeiten ist deine Menschlichkeit mehr und mehr gewachsen. Nach und nach wird dein engelhaftes Erbe von deiner menschlichen Seele verdrängt, und ich glaube nicht, dass sie mit all der göttlichen Macht zurechtkommt. Sobald du lernst, diese zwei Seiten von dir ins Gleichgewicht zu bringen, wirst du unbesiegbar sein.«
Ich schaute weg. »Wenn es Bastian nicht vorher gelingt, meine Seele zu vernichten.«
»Es tut mir leid, was er dir angetan hat, um dir zu schaden«, sagte Cadan. »Ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, ihn zu töten. Aber für dich würde ich es versuchen.«
»Ich würde das nicht von dir verlangen.«
Er atmete hörbar aus. »Aber ich fühle mich verantwortlich. Ich hätte schon eher etwas unternehmen sollen«, sagte er ernst. »Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass du kein abscheuliches Wesen bist, das nur zerstören kann. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.«
»Bastian hätte sich wohl kaum von dir ins Gewissen reden lassen. Er hat sich in den Kopf gesetzt, mich ein für alle Mal auszulöschen. Schluss, aus, Ende Gelände. Oh Gott, jetzt mach ich mich schon über meinen eigenen Tod lustig. So durcheinander bin ich.«
Er schüttelte den Kopf. »Du verstehst es nicht.«
»Und ob ich es verstehe, Ca…«
»Er ist mein Vater.«
Ich starrte ihn an, unsicher, wie ich das, was er gerade gesagt hatte, verstehen sollte. »Was?«, war alles, was ich herausbekam.
»Bastian«, sagte Cadan. »Er ist mein Vater.«
»Oh.«
Er nahm meine Hand und betrachtete sie aufmerksam, berührte einen Finger nach dem anderen mit einer Zärtlichkeit, die mich verzauberte und die eisige Kälte vergessen ließ. Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden, obwohl ich wusste, dass es nicht gut war, ihm all diese Berührungen zu gestatten. Aber aus irgendeinem Grund empfand ich seine Nähe als Trost.
»Ich hätte es dir längst sagen sollen. Aber ich hatte Angst, du würdest mir nicht vertrauen.«
Ich schwieg eine Weile und versuchte, sein Geständnis zu verdauen. »Er würde dich töten, wenn du mir hilfst?«, fragte ich. »Obwohl er dein Vater ist?«
»Selbstverständlich.«
Ich blickte auf und sah ihn an. In seinen opalfarbenen Augen zuckten feurige Blitze. Ich fragte mich, wie ein derart dunkles, böses Wesen wie Bastian so etwas Wunderschönes und Freundliches hervorbringen konnte. Cadan war alles andere als harmlos, aber mir gegenüber verhielt er sich immer sanft und freundlich. Ich vertraute ihm.
»Ich habe dich nicht hintergangen«, sagte er. »Ich würde dich nie verraten.«
»Die Jungs in meinem Leben haben zu viele Geheimnisse«, sagte ich versonnen.
Er lachte und legte den Handrücken an meine Wange. Es schien, als würde er jede Gelegenheit nutzen, mich zu berühren, und in meinem desolaten Zustand sehnte ich mich nach jeder Art von Trost. »Vielleicht kriegst du auch einfach nicht genug mit.«
»Schon möglich.« Ich lachte und wischte mir eine Träne aus dem Auge. »Ihr Jungs bringt mich immer total durcheinander.«
Cadan schenkte mir ein warmherziges Lächeln, in dem sich Humor und Güte spiegelten. »Ich hätte nie gedacht, dass du so sein würdest.«
»Wie denn?«
»Ich habe so viele Geschichten über dich
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