Auf den Wogen des Glücks
eine Hütte betreten? Füße schlurften über den Boden. Offensichtlich war er allein, was Dominique ein wenig erleichterte. Krachend fiel die Tür ins Schloss, und Dominique blinzelte durch den winzigen Spalt zwischen den Seitenteilen des Raumteilers, konnte jedoch nichts als Schatten und flackerndes Kerzenlicht erkennen.
Erst eine, dann noch eine Schublade wurde aufgerissen. Der Dieb machte sich nicht die Mühe, sie wieder zu schließen. Er schien auf der Suche nach etwas Bestimmtem zu sein, etwas, das sich in Omars Besitz befand. Dominique entspannte sich ein wenig, denn wenigstens suchte er nicht nach ihr, sonst hätte er sich nicht an den Schubladen zu schaffen gemacht, oder? Aber hinter was mochte er her sein? Es schien nicht der Gürtel zu sein, der lag gut sichtbar am Waschstand. Wer mochte der Dieb sein?
Er setzte seine Suche laut rülpsend fort. Es war ein langsamer, vulgärer Rülpser, gefolgt von einem Fluch in fließendem Arabisch. Wie es schien, hatte Omar einen Verräter in seinem Lager. Von einer Sekunde zur nächsten war Dominique fest entschlossen, ihn zu stellen, noch bevor er seine Beute gefunden und Omar damit erniedrigt hatte.
Vorsichtig und ganz langsam zog sie ihre Seemannskleider von der spanischen Wand, und nachdem sie das Handtuch abgelegt hatte, schlüpfte sie mit den Armen voran in das ärmellose Hemd und ließ es über ihren Kopf gleiten. Zwischen dem Raumteiler und der Wand war nicht viel Platz, aber sie schaffte es, ihre Seemannshosen noch über die Seidenhose zu ziehen, stopfte sich das Hemd in den Bund, zog den Gürtel stramm und griff schließlich nach ihren Stiefeln, in denen sie den mit Smaragden besetzten Dolch fand, den Hawksmoor ihr gegeben hatte. Sie klemmte ihn sich zwischen die Zähne und zog erst den einen, danach den anderen Stiefel an. Dann schüttelte sie sich das feuchte Haar aus den Augen und nahm mit erstaunlich sicherer Hand den Dolch, bevor sie vorsichtig hinter der spanischen Wand hervorlugte. Mit seiner weißen Robe und dem karierten Kopftuch, der Ghutra der Beduinen, bekleidet, wirkte der Dieb unförmig und plump. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und stand über einen Tisch gebeugt. Es war unmöglich zu erkennen, wen sie vor sich hatte. Viele von Omars Männern sahen so aus, und in ihrem Leben hatte sie schon Hunderte seiner Art gesehen. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Den Gürtel hatte er sich mittlerweile über die Schulter geworfen, aber offensichtlich war er mit dem Ergebnis seiner Suche noch immer nicht zufrieden. Dominique bemerkte auch, dass er seinen Dolch auf dem Waschstand abgelegt hatte, wo er im Falle eines Angriffs nicht so schnell würde hingelangen können.
Was täte Hawksmoor in einer solchen Lage?
Dominique grinste. Zur Hölle mit Hawksmoor. Dies war ihr Abenteuer, und sie würde sich auch ohne fremde Hilfe behaupten können. Sie brauchte ihn nicht, obwohl sie für einen kurzen Moment darüber nachdachte, wie groß ihr Wunsch war, sich ihm gegenüber zu behaupten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie sich keinen Moment länger mit der Rolle der armen, kleinen und hilflosen Frau zufrieden geben würde.
Und so tat sie das, was ihrer Meinung nach jede mutige Heldin in ihrer Situation getan hätte. Lautlos, den Dolch fest im Griff und zum Angriff bereit, kam sie hinter der spanischen Wand hervor, um zur Rettung ihrer weiblichen Ehre anzutreten.
Vorsichtig näherte sie sich dem Fremden. Als sie nur noch einen Schritt entfernt war, drehte er sich plötzlich um. Dominique machte einen Satz zurück und zückte ihren Dolch. »Khalid!«
Das aufflackernde Glitzern in seinen Augen und sein abschätzender Blick verrieten, dass er soeben die Absichten seines kleinen Besuches geändert hatte. Er schien keine Angst vor ihr zu haben, nicht einen Funken. Verdammt!
»Bleiben Sie stehen!«, fuhr sie ihn barsch an. Khalid aber schaute ihr nur mit offenkundiger Belustigung zu, als sie sich sein Messer vom Waschstand griff. »So ist es besser«, flüsterte sie. Die beiden standen sich nun direkt gegenüber. Dominique kniff die Augen zusammen und spürte das Ausmaß der Verachtung, die Araber Frauen gegenüber hegten. Sie stand ihm zwar mit zwei Messern bewaffnet gegenüber, wusste aber im Grunde nicht, wie sie die Dinger benutzen sollte. Aber das konnte Khalid ja nicht ahnen. Dominique drehte ihre Handgelenke und hielt die Klingen in das Licht. Khalid blickte von einem Dolch zum anderen. Zuversicht durchströmte sie.
Strategie - plötzlich geisterte
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