Auf den Wogen des Glücks
Echo seiner langen, selbstsicheren Schritte. Er dachte an all die Male, die er sich geschworen hatte, niemals in seinem Leben zu heiraten. Mit nach vorn gerichtetem Blick dachte er flüchtig an Dominiques Widerstand gegen Hassan.
Ein Mann mit weniger Selbstbewusstsein, der kein Vertrauen in seinen Lebensweg hatte, hätte sich in Nicholas' Lage vielleicht durch die Umstände und das Auflehnen der Ehefrau in spe einschüchtern lassen. Er sähe die nahende Ehe mit den Augen, mit denen ein Gefangener den Galgen sieht. Aber Nicholas gehörte nicht zu dieser Art Männer. Als er dem Eunuchen durch eine massive Flügeltür in einen Salon mit sehr hohen Decken folgte, dessen Wände von einem Meer brennender Kerzen gesäumt waren, musste er das Lächeln auf seinen Lippen unterdrücken.
Hassan, der in eine fließende weiße Tunika samt Turban gekleidet war, erwartete ihn bereits vor einem aus massivem Gold und mit purpurnem Samt bezogenen Stuhl auf den Eingangsstufen zum Salon. Es war der Thron des Bey. In den Händen hielt Hassan ein riesiges, in vergoldetes Leder gebundenes Buch.
Als Nicholas vor Hassan stehen blieb, lenkte dieser seinen Blick in eine Ecke. »Er wird Ihr Trauzeuge sein.«
Nicholas sah flüchtig in die Richtung und nahm Faroud wahr, der wie ein dicker toter Fisch in einem Stuhl mit hoher Lehne hing. Er hatte die Augen geschlossen, seine Militärjacke war ihm über den dicken Wanst gerutscht, und aus seinem halb geöffneten Mund drangen laute Schnarchgeräusche. »Sind Sie sicher, dass er überhaupt stehen kann?«, erkundigte sich Nicholas.
»Er wird tun, was immer ich ihm befehle. Aha, dort kommt ja auch die Braut.«
Nicholas drehte sich herum und spürte, wie ihm alle Luft aus den Lungen zu weichen schien. Dominique schritt wie eine vom Kerzenlicht erleuchtete feenhafte Erscheinung auf ihn zu. Sie war von Kopf bis Fuß in wallende weiße Seide gehüllt, genau wie eine arabische Jungfer. Die überlangen Ärmel bedeckten selbst ihre zarten Hände und ein Schleier verdeckte ihr Gesicht fast vollkommen, doch als Nicholas genauer hinsah, konnte er unter der Seide die zartrosafarbenen Umrisse ihrer leicht geöffneten Lippen erkennen. Sie machte den Eindruck, als ob sie ein wenig kurzatmig war. Der Versuch, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, schlug fehl, sie weigerte sich schlicht und ergreifend, ihn anzuschauen. Stattdessen hatte sie Hassan fest im Blick, ganz so als überlegte sie, ob sie sich vor ihm auf die Knie werfen sollte, um ihn ein letztes verzweifeltes Mal um Gnade anzuflehen. Die doppelzüngige Zainab hatte Dominiques Augen mit jadefarbenem Kajal umrandet, damit sie noch größer wirkten und einen jeden Mann in ihren Bann zogen. Das verdammte Weib wusste genau, was sie tat. Nicholas überkam das starke Bedürfnis, Dominique an sich zu reißen. Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihre zur Schau getragene Gleichgültigkeit aufzubrechen, sie zu zwingen, in die Augen des Mannes zu blicken, der ihr Gatte, der Vater ihrer Kinder, ihr Trostspender, Ernährer, Geliebter sein würde. Und sosehr sie auch versuchen mochte sich zu verstellen, ihre Augen verrieten, was sie wirklich fühlte.
Ob die Landessitten es vorschrieben oder nicht, griff Nicholas nach Dominiques Hand und legte sie während der kurzen Zeremonie auf seinen Arm, wo er sie festhielt. Er folgte kaum Hassans Worten, begriff aber, dass das Gelöbnis eine zivile Trauung war, die in jedem Land der Welt anerkannt wurde. Alle seine Sinne konzentrierten sich auf Dominique, die steif, mit starr nach vorn gerichteten Augen vorgeschobenem Kinn neben ihm stand. Sie wirkte, als wäre sie aus Stein gemeißelt. Wie ein Lamm, das gegen seinen Willen geopfert wurde, genau das schien sie alle um sie herum auch wissen lassen zu wollen.
Nicholas beobachtete, wie ein eigenwilliger Luftzug die Flamme einer der vielen Kerzen zum Flackern brachte und musste an die wundersame Wandlung Dominiques denken, die ihre Reise mit sich gebracht hatte Das jungfräuliche Mauerblümchen war über Nacht zu einer Verführerin aufgeblüht. Die vormals in dicke Wollstrümpfe und schäbig graue Kleider eingeschnürte Jungfer bevorzugte nun luftig-leichte Kleidung, wollte ihre Brüste nicht mehr einzwängen, verabscheute enge Hüfthalter und einen strengen Zopf und liebte aromatisierte Bäder, aphrodisierende Cremes. Das Mädchen, das vor kurzem noch nicht einmal für keusche Küsse zugänglich gewesen war, verführte nun die Männer, während es ein Bad nahm und
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