Auf den Wogen des Glücks
Unter der breiten Krempe ihres Hutes begegnete ihm ein erwartungsvoller Gesichtsausdruck, eine verletzliche Offenheit, wie sie Frauen auf der ganzen Welt aufsetzten, wenn sie neue Kleider trugen und nach einem anerkennenden Kompliment heischten. Wie viele Male in seinem Leben hatte er Frauen mit Komplimenten nur so überhäuft? Noch nie in seinem Leben hatte er sich seine Worte so sorgfältig überlegt wie er es dieses Mal tat. »Sie sehen blendend aus, Miss Willoughby, überaus reizend.« Es war sein voller Ernst, aber Dominique verstand ihn offensichtlich nicht.
Das zaghafte Zucken um die Mundwinkel hatte sie gerade noch unter Kontrolle, nicht aber das zufriedene Funkeln, das ihre Augen umspielte. Sie streckte ihre sommersprossige Nase in den Wind, und Nicholas' Brust schwoll mit einem seltsam befriedigenden Gefühl an. Warum nur war er so verdammt zufrieden darüber, dass sie zufrieden war, wenn doch ihre Erscheinung in Wirklichkeit nichts als Aufsehen erregen würde?
»Für gewöhnlich bin ich pünktlich«, erklärte sie mit einem schnellen Blick, der dem Schiff galt und weder Interesse an Nicholas noch an einer Entschuldigung für ihre Verspätung erkennen ließ. Sie reckte den Hals, wodurch ihr Hemd verrutschte und den Blick auf seidige, marmorne Haut freigab. »Drew und ich hatten in allerletzter Minute noch ein Problem zu lösen, und ...«
Plötzlich verfinsterte sich ihr Blick. »Warum klettern dort oben zwei Mann im Tauwerk? Ihnen ist hoffentlich klar, dass die Spiere von innen hohl und so exakt berechnet sind, dass sie nur das Gewicht eines einzigen Mannes tragen können.«
Nicholas machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen. Er spürte, wie Stolz von seiner Stimme Besitz ergriff, denn diese brillante Idee - so zumindest hatten Wright, Füller und Smythe sie genannt, stammte von ihm höchstpersönlich. »Ich habe das Gewicht der Spiere erhöht.«
Dominique funkelte ihn erzürnt an, ihr Gesicht verzog sich. »Erhöht? Warum zum Teufel haben Sie das gemacht?«
Missmut begann sich zu regen. Ihm war, als müsste er verlegen mit den Füßen scharren. Das Gefühl, von einem Meister gescholten worden zu sein, ärgerte ihn bis auf die Knochen. Sein Gesichtsausdruck wurde finster wie die Nacht. »Aus Gründen der Nützlichkeit, Miss Willoughby«, verteidigte er sich bissig. »Sorgfältige Berechnungen und vermindertes Gewicht, um die Geschwindigkeit zu beschleunigen, helfen rein gar nichts, wenn man das Schiff nicht schnell genug takeln kann, um diese Geschwindigkeit dann auch zu halten. Die Wucht des Windes würde uns ins Wasser befördern, schon lange bevor ein einzelner Matrose die Arbeit von dreien erledigen kann.«
Dominique blinzelte, presste die Lippen aufeinander. »Ich verstehe.« Er wertete ihre Äußerung als Zugeständnis. »Sie hätten mich wenigstens davon unterrichten können.«
»Wir sollten von vornherein einiges klarstellen.«
»Ganz meiner Meinung. Zum Beispiel, wer von uns beiden die Aufsicht über das Schiff führt.«
»Wie bitte?«
Falls sie ihn richtig verstanden hatte, so schien es ihr ziemlich egal zu sein. Ichabod Brittlesea fegte an Nicholas vorbei, stellte sich vor ihn und machte eine überschwängliche, schwülstige Verbeugung, die nur noch wenig mit Ehrerbietung zu tun hatte. Der Effekthascherei wegen schlug er seine Rockzipfel in Richtung
Nicholas hoch. Miss Willoughby, die sonst so strenge Chefin, die unanfechtbare Meisterin des Ballasts und der minutiösesten Berechnungen, kicherte wie ein kleines Mädchen und hielt Brittlesea ihre Hand entgegen. Sie war sichtlich erfreut und entzückt. Nicholas schaute von einem zum anderen. Zwischen ihnen herrschte eine große Vertrautheit, das war leicht zu erkennen. Die zwei machten den Eindruck, als hätten sie noch vor kurzem lauthals über eine Anekdote gelacht, deren Pointe nur sie beide zu verstehen wussten. Nicholas aber blieb das Lachen tief im Halse stecken.
Er hörte, wie Brittlesea ihr etwas zuflüsterte und lehnte sich nach vorn, um mitzubekommen, was er ihr zu sagen hatte, doch als Miss Willoughby laut und kehlig zu lachen begann, machte er einen Satz zurück. Ihr Lachen klang so lebendig und pulsierend, dass es ihm schwer fiel, es mit ihr in Verbindung zu bringen. So kannte er sie gar nicht.
Noch nie hatte er sie so sorgenfrei, so jugendlich unbeschwert lächeln sehen, wie es sonst nur junge Mädchen auf Entdeckungstour taten. Schlagartig wurde ihm klar, dass all ihre Reaktionen, wenn er zugegen war, kontrolliert
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