Auf den zweiten Blick
Hals bis zu den Füßen verhüllte. »Du siehst wunderschön aus«, sagte er, während er mich zu einem Spiegel führte.
Ich starrte auf meine nackten Füße, meine nervös zuckenden Hände und in Alex’ Augen, die immer noch so verletzt aussahen. Von den blauen Flecken war nichts zu sehen. »Ja«, sagte ich. »Das ist gut.«
Unsere Limousine kam zusammen mit zwanzig anderen vor dem Premierenkino an, deshalb mußten wir warten, bis wir vor den Eingang fahren konnten, wo alle ausstiegen. Fans und Paparazzi bildeten ein Spalier bis zur Tür, und direkt am Bordstein hatten ein paar Reporter Posten bezogen, so daß sie im selben Moment, wo die Prominenten aus ihren Wagen stiegen, ihre Kommentare sprechen konnten.
Das war nichts Neues; Alex und ich waren im letzten Jahr auf vielen Galaveranstaltungen gewesen. Er stieg zuerst aus, groß und gutaussehend in seinem gestärkten weißen Hemd und der Krawatte. Als er der Menge zuwinkte, fing sich die Sonne in seinem Ehering und blendete mich einen Moment. Dann half er mir liebevoll aus dem Wagen und legte den Arm um mich, sorgsam darauf bedacht, die Hand tiefer als gewöhnlich zu halten, wo er mir nicht weh tat.
Es war Brauch, wie ein Königspaar ein paar Sekunden inmitten der Menge zu verharren, damit die Menschen fotografieren und applaudieren und uns in aller Ruhe betrachten konnten. Die Klatschreporterin neben mir mußte fast brüllen, um sich über den Jubel der Menge verständlich zu machen, die Alex’ Namen rief. »Eben sind Alex Rivers und seine Frau Cassandra eingetroffen. Man sagt, daß Antonius und Kleopatra, Alex Rivers’ neuer Film, schwer in die Bredouille geraten ist«, sagte sie. »Aber wie Sie sehen können, zweifeln seine Fans kein bißchen dran, daß Alex alle Probleme ausbügeln kann, die es bei seiner neuesten Produktion geben mag.« Sie warf über die Schulter einen bedeutsamen Blick in die Kamera. »Anscheinend wird alles, was Alex Rivers anfaßt, zu Gold.«
Alex schob mich mit sanftem, aber bestimmtem Druck weiter. Ich drehte mich ein letztes Mal zu der Reporterin um, dann warf ich den Kopf in den Nacken und lachte.
17
Ich hörte ihn die Stufen zum Apartment heraufkommen und sprang augenblicklich hellwach aus dem Bett, wo ich ein Nickerchen gehalten hatte. Das Herz schlug mir bis zum Hals, während ich die Falten aus der Decke strich, die mein Körper dort hinterlassen hatte, um ihn bloß nichts ahnen zu lassen.
Es war April, und die Universität hatte mir freigegeben, doch Alex konnte sich nicht mit der Vorstellung anfreunden, daß ich nichts zu tun hatte. Das hatte er mir mehr als einmal erklärt, mal neckend, manchmal so ernst, daß ich mir tatsächlich eine Beschäftigung suchte: Ich polierte glänzend saubere Kristallüster, meldete mich zu einem Aerobic-Kurs an, den ich haßte, und richtete das Apartment neu ein, das von Anfang an perfekt eingerichtet gewesen war. Mich hatte das letzte Jahr wirklich vollkommen ausgelaugt: Ich war zur ordentlichen Professorin ernannt worden und hatte meine Verpflichtungen an der Universität mit diversen Vorträgen über die Hand in Einklang bringen müssen, die zur Zeit in einem Londoner Museum ausgestellt wurde. Diesen Monat hatte ich einfach bloß ausspannen wollen.
Aber ich wollte Alex auch nicht aufregen.
Deshalb stand ich auf, fuhr mir mit der Hand durchs Haar und kontrollierte, ob sich im Schlaf auch keine Strähne aus der Spange gelöst hatte. Mein Herz begann zu rasen, und ich begann die Sekunden zu zählen, bis Alex die Tür aufreißen würde. Verzweifelt sah ich mich nach etwas um, mit dem ich irgendeine Beschäftigung vortäuschen könnte. Schließlich griff ich nach Block und Bleistift, setzte mich an den Sekretär und kritzelte das erste beste hin, was mir in den Sinn kam: einen Stammbaum der menschlichen Evolution.
Eine Minute verstrich; zwei. Ich schob den Stuhl zurück und zwang mich, das Zimmer zu durchqueren und die Tür aufzumachen. Meine Wangen waren rot, als ich den Türknauf drehte, und ich zögerte einen winzigen Augenblick. Ich hatte keine Ahnung, was mich draußen erwartete.
Es waren Vorhänge, die im heißen Wind flatterten. Mrs. Alvarez hatte die Fenster geöffnet, bevor sie auf den Trancas-Markt gegangen war. Ansonsten war es totenstill im Haus, und das hieß, daß sie noch nicht wieder zurück war.
Ich ging die Treppe hinunter und öffnete die Haustür einen Spaltbreit, um hinauszuschielen. Ich rief seinen Namen, wartete auf eine Antwort, dann sah ich in den
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