Auf den zweiten Blick
schränkte er sofort ein. »Nur, daß Ophelia dir überhaupt nicht ähnlich ist.«
Ich lächelte ihn an. »Ach ja? Wie bin ich denn?«
Herb grinste, bis ich die Goldfüllungen in seinen Backenzähnen sehen konnte. »Du? Du bist gut für meinen Alex.«
Die Lichter gingen aus und wieder an, und die Gäste drängten langsam zum Eingang des Vorführsaals. Die Kritiker zückten ihre Notizblocks und schraubten ihre Füller auf. Herb schaute sich nervös um, weil er darauf wartete, daß Alex mich abholte, bevor er hineinging.
»Geh schon«, drängte ich ihn. »Ich kann durchaus auf mich aufpassen.«
»Ach«, meinte Herb, »ich kenne die Geschichte doch schon. Was machen da ein, zwei Minuten am Anfang aus?« Er verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand.
Ich suchte die Menschenmenge ab und begann mich zu fragen, ob Alex mich vergessen hatte. »Ich weiß nicht mal, worum es geht«, gestand ich. »Ich hatte einfach keine Zeit, das Drehbuch zu lesen.«
Herb zog die Brauen hoch. »Sagen wir, es ist ein neuer Anfang für Alex. Ich glaube nicht, daß du ihn schon mal so gesehen hast.« Herb begann zu grinsen. »Wenn man vom Teufel spricht…«, sagte er.
Alex hakte sich bei mir ein. »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich, »aber selbst Filmstars müssen ab und zu mal verschwinden.« Er dankte Herb dafür, daß er mich unter seine Fittiche genommen hatte, dann führte er mich in das dunkle Kino.
Während der Vorspann über die Leinwand rollte, kuschelte ich mich an Alex. »Herb meint, ich würde dich nicht wiedererkennen.«
Alex atmete tief ein und packte meine Hand. »Cassie«, flüsterte er leise, »versprich mir eines – du darfst nicht vergessen, daß alles nur gespielt ist.« Er verflocht seine Finger mit meinen, drückte sie bekräftigend und legte dann unsere beiden Hände auf die Armlehne zwischen uns. Er ließ mich nicht mehr los.
Was diesen Film von Alex’ bisherigen unterschied, war, daß er hier den Schurken spielte. Seine anderen Charaktere hatten zwar durchwegs Makel gehabt, aber niemals so viele, daß sie sich derart schwarz gegen den Hintergrund abzeichneten. Ich fand sehr bald heraus, worum es in Unzulänglich ging.
Alex spielte einen Mann, der seine Frau schlug.
Ich merkte gar nicht, wie fest ich mich in Alex’ Finger krallte oder wie schwindlig mir war; wahrscheinlich wäre ich zusammengebrochen, wenn ich aufgestanden und aus dem Kino gelaufen wäre, was ich am liebsten getan hätte. Ich beobachtete die allererste Szene, die sich in einem Bad abspielte, wo alle Ablagen makellos blank und die Handtücher sauber gefaltet in ihren Fächern lagen. Alex zog den Duschvorhang zurück und gab den Blick auf den Duschkopf frei, der nicht genau senkrecht zur Wand stand. Alex schleifte eine Frau, die nicht ich war, ins Bad, zwang sie, ihren Fehler einzugestehen, und schleuderte sie auf den Fliesenboden.
Ich sah mein eigenes Leben vor mir.
Aber bei den Dreharbeiten gab es Stuntmänner und -frauen; man brachte den Schauspielern bei, die Schläge nur vorzutäuschen. Immer wieder sagte ich mir, daß die Schauspielerin überhaupt nicht verletzt worden sei.
Dann drehte ich mich zu Alex um, der mich anschaute, nicht den Film. In seinen Augen spiegelten sich die Filmfiguren, die auf der Leinwand unser Leben nachspielten. Versprich mir eines - du darfst nicht vergessen, daß alles nur gespielt ist. »Warum?« hauchte ich, aber Alex beugte sich nur zu mir herüber und flüsterte, daß es ihm leid tue.
Nachdem der Film angelaufen und Alex phantastische Kritiken dafür bekommen hatte, daß er eine Rolle angenommen hatte, die sein Image als Schauspieler verändert, fuhren wir auf die Ranch nach Colorado. Von seinen drei Wohnsitzen war mir dies der liebste. Die Ranch lag am Fuß der bläulich schimmernden Rocky Mountains und erstreckte sich über dreißig Morgen üppiger Felder. Durch das Gebiet wand sich ein klares Flüßchen, das so kalt war, daß einem die Füße taub wurden. Mir war wohl bewußt, was die hohe Lage Colorados bewirkte, aber sobald ich durch das Tor der Ranch trat, atmete ich einfach viel freier.
Selbst die Ställe und das Haupthaus unterschieden sich im Baustil von Alex’ Häusern in L. A. Sie waren im spanischen Stil errichtet, mit Stuck und roten Ziegeldächern, und an den Fenstern hingen handgemachte Blumenkästen, aus denen Geranien wucherten. Die wenigen Angestellten, die sich um die Pferde und die Ranch kümmerten, während Alex in Kalifornien war, schienen sich in den Hügeln zu
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