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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ich konnte nicht mehr sicher sein.
    »Nur eine Frage.« Ich drehte mich zu ihm um. »Wie würde es dir gefallen, Vater zu werden?«
    Alex’ Blick wurde düster, und seine Augen schlossen mich aus. »Was zum Teufel soll das heißen?« fragte er scharf.
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter, weil mir klar wurde, daß ich viel zu dramatisch klang. »Ich habe die Pille zu Hause vergessen. Also habe ich in den letzten Wochen nichts genommen.« Ich lächelte ihn an. »Es ist bestimmt nichts passiert«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen.«
    »Cassie«, stellte Alex langsam fest, »ich habe nicht vor, Kinder zu haben.«
    Ich weiß nicht, warum wir nie darüber gesprochen hatten; ich hatte angenommen, daß er zwar warten, aber irgendwann eine Familie haben wollte. »Nie?« fragte ich etwas schockiert.
    »Nie.« Alex fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich habe nicht die Absicht, so wie meine Eltern zu werden.«
    Ich entspannte mich. Ich kannte Alex; es bestand nicht die geringste Gefahr, daß das passieren würde. »Meine Eltern waren auch nicht gerade wie Philemon und Baucis«, wandte ich ein, »aber das würde mich nicht davon abhalten, selbst Kinder zu haben.«
    Ich schloß die Augen und sah einen hübschen kleinen jungen vor mir, der lachend über den Rasen vor unserem Haus rannte, aus lauter Freude am Laufen. Ich stellte mir vor, wie er hier in Tansania mit einer Plastikschaufel und einem Eimerchen neben mir buddelte. Ich wußte, daß ich Alex mit der Zeit umstimmen konnte.
    Er zog mich in seine Arme, weil er mein Schweigen für Trotz hielt. »Außerdem«, wandte er ein, »wie willst du die nächste Margaret Mead werden, wenn du ein Kind bekommst? Mit einem dicken Bauch und barfuß kannst du nicht mit deiner Hand auf Vortragsreise gehen.«
    Dieses Argument schien mir nicht stichhaltig, trotzdem hatte Alex in gewisser Hinsicht recht. Bald vielleicht, aber nicht jetzt. Ich rollte mich auf der schmalen Pritsche zur Seite und sah ihn an. »Und wer von uns wird jetzt auf dem Boden schlafen?«
    Alex lachte. »Chere«, sagte er, »hast du schon mal was von russischem Roulette gehört?«
    Als ich wieder in die Staaten kam, hielt ich an verschiedenen Universitäten eine Reihe von Vorträgen über die Bedeutung der Hand und ihres Werkzeugs für die Entwicklung des menschlichen Geistes. Es gefiel mir nicht, so lange von Alex getrennt zu sein, aber er war ohnehin mit Antonius und Kleopatra beschäftigt. Es war egal, ob ich in Boston oder Chicago oder Baltimore war. Alex arbeitete vierundzwanzig Stunden am Tag; selbst wenn ich in Los Angeles gewesen wäre, hätten wir uns kaum gesehen.
    Alex’ Stimme drang aus dem Schlafzimmer und kam die Treppe heruntergepoltert: »Oft sehn wir eine Wolke, drachenhaft, oft Dunstgestalten gleich dem Leu, dem Bär, der hochgetürmten Burg, dem Felsenhang, gezackter Klipp’ und blauem Vorgebirg’, mit Bäumen drauf, die nicken auf die Welt, mit Luft die Augen täuschend.«
    Ich seufzte erleichtert, als der Taxifahrer meine Tasche im Haus abstellte. Offensichtlich hatte er nicht auf mich gewartet; er tat, was er am Abend vor den Dreharbeiten zu einer wichtigen Szene immer tat - er probte. Ich wußte, daß ich ihn im Salon vor unserem Schlafzimmer finden würde, in einem schäbigen T-Shirt mit dem Aufdruck Tulane University und in seinen Boxershorts, und die warme Vertrautheit dieses Bildes ließ mich lächeln.
    Mein Flugzeug war wegen eines Gewitters mit Verspätung aus Chicago abgeflogen; um neun Uhr abends hatte ich Alex angerufen, um ihm mitzuteilen, daß ich nicht wisse, ob wir überhaupt noch starten würden. »Geh ruhig schlafen«, sagte ich. »Wenn wir heute doch noch fliegen, nehme ich mir ein Taxi.« Ich wußte, daß morgen ein anstrengender Tag auf ihn wartete: Er würde die Szene drehen, in der Antonius Kleopatras Betrug aufdeckt und dann von ihrem angeblichen Selbstmord erfährt. Außerdem gab es schon wieder Probleme mit dem Film. Die ersten Trailer, mit denen man Zuschauer für eine Preview ködern wollte, waren beim Publikum durchgefallen. Alex hatte mir das am Telefon erzählt. »Sie haben gelacht«, hatte er entsetzt gestanden. »Sie haben gesehen, wie ich mich in mein Schwert stürze, und sie haben gelacht.«
    Ich wünschte, ich wäre dagewesen, hätte ihm beim Nachdrehen helfen und ihm zeigen können, daß ihm die schlechte Presse, die der Film überall in den Kinovorschauen und Klatschkolumnen bekam, auch nützlich sein könne, sogar in Chicago hatte die Tribüne kurz

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