Auf den zweiten Blick
die Stimmung wieder aufzuhellen, deshalb atmete ich tief durch. Ich stand auf und watete wieder in den Fluß, beugte mich vor und streckte die Finger ins Wasser. »Man sagt«, meinte ich, »daß es in diesem Flüßchen Forellen gibt.«
Alex hob den Kopf und lächelte mich dankbar an. Genießerisch wanderte sein Blick von meinem Scheitel über meinen Hintern bis zu den nackten Füßen. »Ja«, bestätigte er, »so sagt man.«
»Und man sagt auch«, fuhr ich fort, »daß du mit bloßen Händen Fische fangen kannst.« Im gleichen Moment schlüpfte eine dünne Regenbogenforelle zwischen meinen Händen durch, so daß ich erschrocken nach Luft schnappte und ein paar Schritte zurücktaumelte.
Alex stand auf und stellte sich hinter mich ins Wasser. »Angenommen, du würdest das lernen wollen«, begann er, während sich seine Schenkel gegen meine drückten, »dann müßtest du vor allem aufhören, so herumzuzappeln.« Er beugte sich über mich, so dicht, daß seine Lippen mein Ohr berührten. Seine Arme schmiegten sich an meine und tauchten ins Wasser, wo meine Hände in seinen ruhten. »Und dann müßtest du ganz reglos abwarten. Nicht einmal atmen - eine Forelle haut ab, wenn sie auch nur glaubt, daß du da stehst. Und jetzt schließt du die Augen.«
Ich drehte den Kopf. »Ehrlich?«
»So kannst du den Fisch besser spüren.«
Gehorsam schloß ich die Augen, ließ die kühle Luft in meine Lunge strömen und genoß das Gefühl, von Alex’ Körper an so vielen Stellen berührt zu werden.
Als die Forelle wie ein quecksilbriges Kitzeln über meine Handfläche glitt, schnappten Alex’ Finger zu. Er riß unsere Arme zurück, und der Fisch klatschte an meine Brust, wo er in der Furche zwischen meinen Brüsten zappelte. Gemeinsam kippten wir lachend rückwärts aufs Ufer.
Wir starrten einander an, nur Zentimeter voneinander entfernt. Alex’ Hände lagen immer noch auf meinen. Wo sich seine Handgelenke an meine Brust drückten, spürte ich seinen Herzschlag, stetig und fest, genau wie meiner. Wir versuchten gar nicht, den Knoten zu lösen, zu dem wir unsere Leiber verschlungen hatten, nicht einmal, als Alex mir den Fisch wegnahm und ihn zurück in das Flüßchen setzte. Gemeinsam beobachteten wir, wie er einen Stein umrundete und dann, flüchtig wie ein Zweifel, verschwand.
Ich erinnere mich nicht mehr, was jenen Streit auslöste; ich erinnere mich nicht einmal daran, wie Alex mir nachsetzte. Ich weiß nur noch, daß es im Schlafzimmer passierte und daß einer von uns in dem Durcheinander an den Frisiertisch stieß. Deshalb blieben mir weder Alex’ hitzige Vorwürfe noch das Brennen seiner Hand auf meiner Schulter im Gedächtnis; sondern nur das Bild, wie das Glas voll Schnee, das Alex mir nach Tansania gebracht hatte, von der Kommode rollte und auf dem glatten Holzboden zerschellte.
Es war ein Mißgeschick, das schon längst hätte passieren können, etwa wenn ein ungeschicktes Zimmermädchen an das Glas geraten wäre oder ich mich beim Anziehen zu schnell umgedreht hätte. Aber das war nicht passiert. Zweieinhalb Jahre hatte das kleine Glas fest verschlossen zwischen meiner Bürste und Alex’ gestanden, als sei es das Glied, das beide verband.
Alex stand schwer atmend über mir und beobachtete, wie sich das Wasser auf dem Boden ausbreitete. Ich fragte mich benommen, ob es wohl Flecken hinterlassen würde, und merkte, daß ich genau das hoffte, damit wenigstens irgend etwas davon zurückblieb.
Statt sich zu entschuldigen oder mich an die Brust zu drücken, kniete Alex nieder und sammelte die größten Scherben auf. Eine schnitt ihn in den Daumen, und ich beobachtete fasziniert, wie sein Blut in der Wasserpfütze Schlieren zog.
Ich glaube, das gab den Ausschlag. »Wenn du mich jemals wieder schlägst«, sagte ich leise, den Blick fest auf das Wasser gerichtet, »dann verlasse ich dich.«
Alex hielt nicht einmal inne. Er sammelte die Scherben auf, als glaube er tatsächlich, sie wieder zusammensetzen zu können. »Damit«, antwortete er ruhig, »würdest du mich umbringen.«
Ich nahm meine Tasche und meine Jacke, ging die Treppe hinunter und schüttelte den Kopf, als John fragte, ob er mich fahren solle. Ich wanderte durch die Straßen unseres Viertels und schluckte schwer an der schalen, abgestandenen Luft.
Als ich St. Sebastian erreichte - ja, unsere Kirche -, war mein erster Gedanke, daß ich dort Zuflucht finden könne. Ich könnte mich innen verstecken und nie wieder herauskommen. Wenn ich nur lang genug auf
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