Auf den zweiten Blick
die Handwaschsache mit Bravour hingelegt.« Herb beobachtete, wie Cassie einen dritten und vierten Schrank öffnete, sich kurz auf die Lippe biß und dann unter der Spüle nachschaute. »Was ist mit ihrem Kopf?« flüsterte er Alex zu. »Ist sie immer noch a bißl meschugge?«
Alex zuckte mit den Achseln. »Der Arzt hat ihr erklärt, es wird wohl noch dauern, bis sie wieder weiß, wer sie ist und was zum Teufel sie k.o. geschlagen hat.« Sein Blick folgte Cassie, die endlich den Schrank mit den Tellern entdeckt hatte. »Bis dahin will ich sie einfach nur in meiner Nähe behalten. In Sicherheit.« Er grinste seinen Agenten an. »Scheiße. Wenn ich ihr Gedächtnis nicht zurückholen kann, wer dann?«
Cassie kam mit drei Tellern und einem Stapel Papierservietten zurück. Sie blieb am Tisch stehen – eine Außenseiterin. »Ich habe bloß Weingläser gefunden«, sagte sie.
Herb deutete auf ihren Stuhl. »Setz dich hin. Wir trinken aus der Flasche.« Er wickelte ein Sandwich mit einem Berg von Fleisch zwischen den Brotscheiben aus, und Cassie beobachtete, wie er den Mund aufriß, um das Brot zwischen die Zähne zu bekommen. »Alex, ich hoffe, du hast dich bei deiner reizenden Frau für die kostenlose PR bedankt.« Herb kniff Cassie in die Wange. »Landesweite Fernsehberichte über den verzweifelten Alex Rivers, der seine Frau vor der Presse abschirmen muß – das ist genau das, was wir vor der Oscar-Verleihung brauchen.« Er ließ das Sandwich Zentimeter vor seinem Mund verharren. »Es kann nicht schaden, wenn deine Kumpel in der Jury sehen, was für ein guter Ehemann du bist, bevor sie darüber abstimmen, wer bester Schauspieler und bester Regisseur werden soll. Weißt du, was – am besten rufe ich gleich heute nachmittag Michaela an, dann schauen wir, ob wir nicht Oprah auf die Sache ansetzen können. Du kannst ein bißchen für Tabu trommeln, vielleicht können wir Cassie in den letzten fünf Minuten dazunehmen –«
»Nein.« Das letzte Wort ließ Cassie zusammenzucken. Alex hatte nicht besonders laut gesprochen, aber er hatte mit der Faust so heftig auf den Tisch geschlagen, daß er eine der handbemalten Kacheln der Tischplatte zerbrochen hatte. Cassie sah ein dünnes Blutrinnsal an Alex’ Handgelenk herunterlaufen, aber er machte sich nicht die Mühe, es wegzuwischen. Seine Augen wurden schmal, und er beugte sich über den Tisch zu Herb, wobei er eine Flasche Limonade umstieß. »Du wirst meine Frau nicht im Fernsehen vorführen, nur um meine Chance auf einen Oscar zu vergrößern.«
Herb tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab, als sei er derartige Ausbrüche gewohnt. »Okay, okay«, beschwichtigte er. Wie betäubt blieb Cassie sitzen und schaute vollkommen reglos zu, wie das klare Sprite auf den Teppich tröpfelte. Sie sah Alex an.»Mir macht das nichts aus«, meinte sie. »Wenn du glaubst, daß es dir hilft–«
»Ich habe nein gesagt«, bellte Alex. Plötzlich entspannten sich seine Finger, die sich um die Tischkante gekrallt hatten. »Cassie«, sagte er sanft, »das Sprite.«
Cassie schob den Stuhl zurück und flog in die Küche. Ein Wischtuch. Sie wirbelte herum und riß intuitiv den Schrank auf, in dem aufgestapelte und gefaltete Tücher lagen. Geschäftig wischte sie die Kacheln auf dem Tisch trocken und kniete dann zwischen Herb und Alex nieder, um das Tuch auf den Teppich zu pressen. Sie schrubbte eine ganze Minute und arbeitete so angestrengt, daß sie die bleierne Stille gar nicht bemerkte, die auf ihren Schultern lastete und sie zwang, den Kopf gesenkt zu halten und nicht zu Alex aufzuschauen.
»So«, stellte Cassie schließlich außer Atem fest. Sie ging in die Hocke.
Alex zog sie hoch und auf seinen Schoß. »Tut mir leid, Herb«, entschuldigte er sich verlegen. »Du weißt, was sie für mich bedeutet.«
»Wer wüßte das nicht?« Herb nahm die zweite Hälfte seines Sandwiches und begann methodisch jede zweite Scheibe Corned beef daraus zu entfernen. »Gottverdammtes Cholesterin.«
Cassie sah zu, wie er das Fleisch am Tellerrand aufschichtete. Sie spürte Alex’ Schenkel unter ihren und rutschte unbehaglich herum. Sie merkte, daß sie zitterte, doch fast im selben Moment schlossen Alex’ Arme sie ein. »Frierst du?« flüsterte er ihr ins Ohr, und bevor sie antworten konnte, verstärkte er die Umarmung.
»Ich fliege am Freitag zurück nach Schottland«, wandte er sich an Herb. »Cassie nehme ich mit.«
»Ja?« Cassie drehte sich in seinen Armen um und schaute ihn an.
Herb
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