Auf den zweiten Blick
legte seinen Kopf darauf. «Ich dachte, es würde dir gefallen«, sagte er. »Ich wollte es deinetwegen tun.«
Ich verdrehte die Augen. »Ich habe genug Nächte in provisorischen Hütten verbracht, um saubere Bettwäsche und ein stabiles Bett zu schätzen«, sagte ich. »Du hättest mir das sagen sollen.« Als ich Alex wieder ansah, hatte er das Gesicht dem Himmel zugewandt, aber seine Augen starrten am Mond vorbei. Ich wußte nicht, womit ich ihn so aufgeregt hatte. Vorsichtig legte ich meine Hand auf die glatte, weiße Innenseite seines Oberarmes. »Für jemanden, der nicht gern zeltet, kennst du dich aber gut aus«, bemerkte ich leise.
Alex schnaubte. »Ich hatte eine Menge unfreiwilliges Training. Warst du jemals im Sommer in Louisiana?« Ich schüttelte den Kopf. »Es ist die Hölle auf Erden«, sagte er. »Es ist so heiß, daß einem die Luft auf der Haut klebt, und so schwül, daß man kaum atmen kann. Die Moskitos sind groß wie Daumennägel. Und es sieht genauso aus, wie ich mir die Hölle vorstelle – wenigstens in den Bayous. Nichts als dunkler, schlammiger Sumpf, von Zypressen und Weiden überwuchert, und an den Ästen hängen Moos und Ranken wie alte Vorhänge. Als Kind bin ich immer auf die Pappeln am Wasser geklettert. Ich habe den Ochsenfröschen zugehört und mir vorgestellt, es sei der Teufel, der seinen Whisky hochrülpst.«
Alex lächelte, allerdings hätte es in dem schwachen Licht auch eine Grimasse sein können. »Mein Papa hat mich abends oft in seiner Piroge mitgenommen, es war also nicht so, daß ich nichts über das Bayou gewußt hätte. Er hat die roten Langusten aus seinen Netzfallen geholt und sie dann zu Deveraux gebracht, diesem Restaurant, das auf riesigen alten Zypressenstümpfen halb über dem Sumpf hängt. Er lieferte die Langusten bei Beau ab, dem das Lokal gehört - niemand kann wie Beau Langusten zubereiten -, und dann verschwand er für eine Stunde, um sein Geld zu versaufen.«
»Was hast du solange gemacht?«
Alex zog die Schultern hoch. »Meistens saß ich draußen und schaute den älteren Kindern zu, wie sie Katzenwelse fingen. So was hast du noch nicht gesehen - ohne Angel, ohne Schnur; sie stecken einfach die Arme in den Schlamm und warten, und plötzlich reißen sie diese Zwanzigpfünder aus dem Wasser.« Er seufzte und rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Jedenfalls, eines Abends hielt mein Vater nicht bei Beau an, sondern fuhr weiter raus. Er sagte, es sei an der Zeit, daß wir ein bißchen zelten gingen. Ich war damals neun oder zehn, und ich fragte ihn, warum wir draußen im Sumpf campen wollten und nicht auf einem der schicken Campingplätze, die am Lake Pontchartrain für Touristen angelegt worden waren. Er sagte, das sei bloß was für Schwule, und dann steuerte er ans Ufer. Er warf ein Zelt, das ich zuvor gar nicht bemerkt hatte, vom Boot aus aufs Trockene und ließ mich dann aussteigen. >Ich bin gleich wieder da<, sagte er.
>Du besorgst uns was zum Essen, und ich kümmere mich um das Feuerholz.<«
Alex zog die Knie an die Brust, denn die Nacht wurde kühler. »Natürlich kam er nicht wieder. Ließ mich einfach in der Abendsonne sitzen. Ich konnte selbst zusehen, wie ich mir was zu Essen besorgte und wo ich mein Zelt aufstellte, ohne daß mir eine Mokassinschlange ins Bett kroch. Ich bekam solche Panik, daß ich glaubte, mein Herz würde gefrieren, und das hätte ich dann davon, nachdem man mir endlich gesagt hatte, es sei in Ordnung.
Die ganze Nacht über wartete ich. Ich rührte mich nicht vom Fleck, aus Angst, mein Vater könne zurückkommen, während ich weg war. Ich schaute in den Nebel und sah in jedem Schatten, jedem Flattern des Mooses sein Boot. Um zehn Uhr war ich halb verhungert, also zog ich meine Schuhe aus und watete in den Sumpf, so, wie ich es bei den Kindern draußen bei Beau beobachtet hatte. Ich beugte mich vor und steckte die Hände in den Sumpf. Nach zwei Stunden hatte ich den Bogen schließlich raus, und als sich das Wasser um mich bewegte und etwas Kaltes an meinem Bein entlangstrich, packte ich mit aller Kraft zu und zog einen Katzenwels aus dem Wasser. Der kleinste, den ich je gefangen habe, und der beste dazu.«
Ich sah vor mir, wie der neunjährige Alex in der Dunkelheit stand und die Schatten mit seiner Angst zum Leben erweckte. Ich sah ihn vor mir, wie er mit einem Speer mitten in einem afrikanischen See stand. Mir fiel wieder ein, wie er vorhin aufgefahren war, als der Schrei die Nacht zerrissen hatte. »Wann ist er
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