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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Crewmitgliedern gang und gäbe waren. Eine Ehe dagegen war etwas ganz anderes.
    Ich hatte Alex geglaubt, als er mir erklärt hatte, alle Nachteile, die mit einer einfachen Hochzeit in Tansania verbunden waren, würden mehr als aufgewogen, weil uns dadurch der Alptraum erspart bliebe, unerbetene Reporter und wildgewordene Fans von der Hochzeit fernzuhalten. Außerdem hätte ich sowieso nur Ophelia und ein paar Kollegen und vielleicht - aus töchterlichem Pflichtgefühl heraus - meinen Vater eingeladen. Ich hatte nie davon geträumt, mich in weißen Satin zu hüllen und feierlich durch eine blütenbestreute Kirche zu schreiten. Mir sei es recht, sagte ich Alex, wenn wir von einem Friedensrichter getraut würden.
    Aber in Afrika, mußt du wissen, ist ein Missionar leichter aufzutreiben als ein Richter. »Ich will, daß du in einer Kirche heiratest«, hatte Alex insistiert. »Und du wirst auch kein Khaki tragen.« Ich habe wirklich versucht, ihm beizubringen, daß das nicht meine Art ist. Aber irgend etwas hielt mich davon ab, auf meinem Standpunkt zu beharren. Schließlich heiratete ich Hollywoods Kronprinzen, und wie jeder andere erwartete auch er ein verwandeltes Aschenbrödel. Und wenn man es auf den Punkt brachte, dann wünschte ich mir vor allem eines: so zu sein, wie Alex mich haben wollte.
    Die sechs Wochen, nachdem ich Alex’ Antrag angenommen hatte und bevor er die Hochzeit ankündigte, waren die schönsten sechs Wochen meines Lebens. Zum Teil lag der Zauber darin, daß ich das Gefühl hatte, etwas Unerlaubtes zu tun. Alex traf sich mit mir vor dem Proviantzelt, schlich sich mit mir davon und löste durch sein Verschwinden einen solchen Aufruhr aus, daß uns Zeit für einen schnellen, gierigen Kuß blieb. Drei Tage lang blieben wir bei strömendem Regen in meinem Zimmer in der Lodge, liebten uns und spielten Backgammon. Wir duschten zusammen, bevor die Sonne aufging; wir unterhielten uns über Filme oder Knochensubstanz. Einmal saß ich an einem kühlen Abend in Bernies Zimmer zwischen Alex’ gespreizten Beinen und schaute die Arbeitskopien des vergangenen Tages an, als er eine leichte Decke über uns breitete und dann, inmitten all der Leute, eine Hand unter mein Hemd und meinen Hosenbund schob und mich zu streicheln begann, bis ich halb wahnsinnig wurde.
    In Alex’ Gegenwart fühlte ich mich wie jemand, der ich nie gewesen war, und nicht einmal ein Heiratsantrag konnte meine Befürchtungen auslöschen, ich könnte eines Morgens aufwachen und feststellen, daß all dies nie geschehen war. Deshalb speicherte ich jede Erinnerung mit Alex, ähnlich wie ich meine anthropologischen Funde mit Tusche katalogisierte, bis sie sich wie ein Rosenkranz durch meinen Geist zogen, bereit, mir Trost zu spenden.
    Ein Blitz riß mich in die Gegenwart zurück. Joey, der Standfotograf, hatte eben ein Bild von uns gemacht. Er reichte Alex das Polaroid, aber nicht ehe ich einen flüchtigen Blick auf mein weißes Gesicht werfen konnte, das, als die Chemikalien freigesetzt wurden, langsam an Farbe gewann. »Ein Souvenir«, erklärte Joey, dann beugte er sich vor und küßte mich mitten auf den Mund.
    Die nächste Stunde ließ ich größtenteils damit verstreichen, Alex mit all den Leuten reden zu lassen, die uns gratulieren wollten. Die ganze Zeit über betrachtete ich ihn. Die Sonne glänzte in seinem Haar und zeichnete den vertrauten Umriß seiner Schultern nach. Die meisten Frauen warfen mir scheele Blicke zu und überlegten, was ich wohl hatte, das ihnen abging und das Alex so anziehend an mir fand. Leute, deren Namen ich mir immer noch nicht merken konnte, gaben schlüpfrige Kommentare über die schmalen Betten in der Lodge ab und musterten meinen flachen Bauch, wenn sie glaubten, ich würde es nicht merken. Aber trotzdem sahen sie mich an - um festzustellen, was ihnen beim ersten Mal entgangen war. Plötzlich hatte ich Status. Alex’ Macht und Prestige färbten durch unsere Verbindung auf mich ab.
    »Nächsten Mittwoch«, sagte Alex gerade. »Über die Einzelheiten sprechen wir später.«
    Etwas pochte mir auf die Schulter. Als ich mich umdrehte, schwebte Jennifer, Alex’ kleine Assistentin, neben mir. »Ich wollte Ihnen nur sagen«, begann sie zaghaft, »wenn Sie irgendwas brauchen, Sie wissen schon, für die Hochzeit oder so, bin ich Ihnen gern behilflich.«
    Ich lächelte sie so warmherzig an, wie ich konnte. »Danke«, sagte ich. »Ich werde es Sie wissen lassen.«
    Sie schaute weg, noch bevor ich ausgeredet hatte; ich

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