Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
verlangte nach mehr Rotwein.
An diesem Abend fertigte ich eine neue To-do-Liste, die ich ungläubig anstarrte, als ich sie am nächsten Morgen fand.
1. Mit Mathias wunderschöne, blauäugige Kinder zeugen.
1.1 Lotta (Zweitname Erika, nach den Samtvorhängen)
1.2 Lilli (Zweitname Astoria, weil sie im Waldorf Astoria gezeugt wird. Wahlweise Verbania, falls wir sie lieber am Lago Maggiore zeugen.)
1.3 Luis (Zweitname Felix, wenn er verstrubbelte Augenbrauen hat und ein bisschen schusselig ist)
2. zusätzlich Kinder adoptieren
2.1 mindestens drei
2.2 am besten aus Afrika wegen Mama
3. eine ordentliche Altersversorgung abschließen
Ich glaube, ich muss nicht extra erwähnen, dass ich die Liste in sehr kleine Fetzchen riss.
Obwohl ich am Monatsersten mein Gehalt überwiesen bekommen hatte, war mein Konto Mitte Mai schon wieder bei null, und dabei hatte ich mir nicht mal ein neues Kleid für Evas Hochzeit gekauft, ich würde das puderfarbene anziehen, das ich im Secondhandladen gefunden hatte. Allerdings hatte ich ein Paar hübsche Schuhe dazu im Auge, weshalb ich in der Bank um einen größeren Dispokredit bat. Aber den wollte man mir nicht einräumen, was ich sehr kleinlich fand, wo ich doch demnächst viel Geld mit Fußballwetten zu gewinnen gedachte. Der Bankberater war ein pickliger Junge, vermutlich noch minderjährig, und er prüfte mein Ansinnen, indem er fünf Minuten lang auf den Bildschirm seines Computers starrte und dann den Kopf schüttelte. »Tut mir leid, aber wie es aussieht, sind Ihre Ausgaben derzeit höher als Ihre Einnahmen.«
Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst.
Matthias Claudius
Tja, du Schnellmerker. Vielleicht ist ja auch genau das der Grund für mein Ansinnen??? Und war es nicht ein wenig ungerecht, mir meine harmlose Bitte zu verweigern, aber Linda sang- und klanglos einen Kredit für eine Ausbildung als schamanische Heilerin zu gewähren? Aber es half ja nichts, dann würde ich eben keine neuen Schuhe auf der Hochzeit tragen. Würde ja ohnehin niemand auf meine Füße gucken. Trotzdem – auch dieser Umstand trug nicht gerade zu einer besseren Stimmung bei. Und last but not least zeigte sich auch das Wetter sehr wenig maienhaft und schlug nicht nur mir aufs Gemüt.
An dem Montag in der Woche vor Evas Hochzeit war ich fast wieder so weit, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen und mich mit Frau Zähler-Reißdorf anzulegen, deren Nerven offenbar ebenfalls (Wechseljahresbeschwerden? Wetterfühligkeit?) blank zu liegen schienen. Den ganzen Tag schon nörgelte sie herum. Dabei wagte sie es nie, jemanden persönlich anzusprechen, sondern richtete ihre Vorwürfe quasi an alle, die sich angesprochen fühlten. Dummerweise fühlte ich mich angesprochen.
»Wenn hier jemand die Seminare alphabetisch und nicht nach Datum geordnet hätte, dann müsste ich das jetzt nicht mühsam neu zusammenpimmeln«, sagte sie jetzt, und aus irgendeinem Grund (na gut, vermutlich, weil ich die Seminare nach Datum sortiert hatte, das war ja auch viel sinnvoller) machte mich das fuchsteufelswild.
»Das Wort zusammenpimmeln gibt es nicht«, wollte ich gerade sagen, aber ich kam nur bis »zu«, als mein Handy »Du hast eine SMS bekommen! Du hast eine SMS bekommen!« quakte. (Für mich mittlerweile das bittersüßeste Geräusch der Welt!) Also warf ich dem Reißwolf nur einen unfreundlichen Blick zu und sprintete zu meinem Schreibtisch. Mathias!
Ich htte dich sf2r gern wiedergese3n du bist so sß und du kü7st toll ich bin
Huch! Was war das denn plötzlich? Seit wann hatte er Probleme mit der Rechtschreibung? Und warum brach er mitten im Satz ab? Betrunken konnte er nicht sein, in Chile war es gerade mal früher Morgen. Oh Gott, vielleicht hatte er gemerkt, dass er der falschen Person schrieb, und die Worte waren gar nicht für mich gedacht. Ich starrte minutenlang auf das Display, in der Hoffnung, es würde noch eine zweite SMS hinterherkommen, aber es passierte nichts.
Nach einer halben Stunde hielt ich es nicht mehr aus und simste zurück: Hey, Mathias! Alles in Ordnung?
Seine Antwort kam ein paar Minuten später. War ein Erdbeben und ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Hab mir vor Angst beinahe in die Hosen gepinkelt. Die anderen haben mich ausgelacht, anscheinend gehören Erdstöße hier an der Küste beinahe zum Alltag.
Oh. Oh, wie nett ! Augenblicklich war meine schlechte Laune verschwunden. In seinem vermeintlich letzten
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