Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
finanzieren.«
»Ach Linda«, stöhnte ich. Jetzt war ich auch noch dafür verantwortlich, dass sie sich finanziell ruinierte und wahrscheinlich ganz bald mit einem Schamanen in einer Jurte leben würde. Future Woman war eine Versagerin auf der ganzen Linie.
Zu allem Überfluss lief ich vier Tage nach dem NLP-Seminar Felix und Lillian noch einmal über den Weg. Oder sie mir, wie man’s nimmt. Sie kamen mir Hand in Hand auf der Straße entgegen, und ich sprang geistesgegenwärtig in einen Hauseingang, damit sie mich nicht sahen. Dort tat ich so, als studierte ich die Namen auf den Klingelschildern, aber dann, wie ferngesteuert, drehte ich meinen Kopf. Ich musste die beiden einfach anstarren.
Glücklicherweise bemerkten sie mich gar nicht. Und dabei starrte ich wirklich intensiv. Lillian erzählte irgendwas von der Arbeit »… und dann habe ich gesagt, stellen Sie sich vor, Dr. Hubertus, ich habe auch Medizin studiert …«, und Felix lachte darüber. Was für ein hübsches Paar, versuchte die neue, verbesserte Kati zu denken, aber mein altes Ich ließ das nicht zu. Es grummelte: »Oh bitte, Felix! Muss es denn wirklich ausgerechnet Lillian sein?«
»Hauptsache, er ist glücklich«, versuchte es die neue, verbesserte Kati noch einmal. »Guck, er sieht auch richtig gut aus.«
Ja, das stimmte. Felix sah gut aus. Allerdings auch irgendwie anders. Ich brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu erkennen, woran das lag. Seine Augenbrauen! Sie waren nicht länger zerstrubbelt und wirr, sondern männlich gestutzt zurechtgestylt. Wie die von Florian, wahrscheinlich vom selben Visagisten. Nur mit Mühe konnte ich den MEERSCHWEINCHENtodesquieker 3 unterdrücken, der mir entweichen wollte. Stattdessen leierte eine alberne Kinderstimme in meiner Handtasche: »Du hast eine SMS bekommen! Du hast eine SMS bekommen!« Amelie hatte nämlich neue Klingeltöne auf mein Handy geladen. Gestern mitten im Seminar »Bewerbungstraining für Akademiker« hatte es »Theo, wir fahr’n nach Lotsch« gesungen, und da hatte ich dann auch gleich anschaulich Regel 25 demonstrieren können: Während des Bewerbungsgesprächs auf jeden Fall das Handy ausgeschaltet lassen.
Felix und Lillian, die schon fast vorbeigegangen waren, schauten aufgrund des Geschreis zu mir hin, aber ehe ich »Sakrament, was glotzen’S denn so?« sagen konnte, hatten sie auch schon wieder weggeschaut und waren weitergeschlendert, immer noch Hand in Hand. Offenbar hatten sie die sprachgestörte Supermarkt-Irre von neulich nicht wiedererkannt.
Ich sah ihnen hinterher und murmelte: »I wünsch euch noch a scheen’s Leben. Wenigstens einem von euch.«
Wie gesagt, es war gar nicht so einfach, ein besserer Mensch zu sein. Auch bei Frau Baronski reichte es offensichtlich nicht, nur ab und zu mit Blumen vorbeizuschauen. Die alte Dame sollte vom Krankenhaus direkt in ein Altersheim umziehen, und im Prinzip hatte sie dagegen auch gar nichts einzuwenden. Wäre nicht ihr Kater Muschi gewesen. Er konnte nicht mit ins Altersheim, und bei der Nachbarin, die ihn bis jetzt jeden Tag gefüttert hatte, konnte er auch nicht bleiben.
»Und wenn er ins Tierheim muss, weine ich«, sagte Frau Baronski und sah mich flehend an. »Das hat der Muschi nicht verdient.«
Wer sich zu wichtig für kleinere Arbeiten hält, ist meistens zu klein für wichtige Arbeiten.
Jacques Tati
Ich wollte auf keinen Fall, dass sie weinte, also versprach ich ihr, ein neues Zuhause für Muschi zu finden. Was mir – nicht zuletzt dank der manipulativen Techniken, die ich im NLP-Seminar gelernt hatte – auch gelang. Man sollte nicht glauben, wie viele Menschen nur darauf warten, ein gutes Werk tun zu dürfen, man muss es ihnen nur richtig verkaufen. Zwei Tage später brachte ich Muschi zu meinen Eltern nach Münster, wo er überglücklich empfangen und umgehend auf den Namen »Baba Nbanene« umgetauft wurde. Das sei afrikanisch, sagte meine Mutter, und es hieß »Großväterchen Mutig«. Muschi störte das nicht weiter, er rollte sich schnurrend auf dem Lieblingssessel meines Vaters zusammen, und ich machte ein Foto von ihm und meinen stolzen Eltern, damit Frau Baronski sah, dass es Muschi gut ging. (Und das mit dem Namen würde ich ihr einfach nicht erzählen.).
Ich blieb ein ganzes Wochenende in Münster – zum einen, weil meine Haushaltskasse immer noch leer war und ich dringend mal wieder etwas Ordentliches essen musste, zum anderen, weil sich die Sache mit dem Caterer für DIE HOCHZEIT
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