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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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mal an, genau so eins hatte Lillian auch gehabt …
    »Im nächsten Leben werde ich auch Arzt«, sagte Linda.
    … und zwar nicht allein. Sie hatte sich das verdammte Zimmer mit Dr. Gereon Westermann geteilt.
    »Aua!«, sagte Linda. Ich hatte ihr, ohne es zu merken, meine Hand in die Schulter gekrallt.
    Das war doch wohl … Das Seminar hatte noch im April stattgefunden, und zwar bevor ich Lillian und Felix Händchen haltend auf der Straße getroffen hatte.
    Diese Schlampe! Diese widerliche, gemeine, verlogene … wie konnte sie Felix das antun? Und Gereon? Was für ein Arschloch! Er war ja noch viel, viel bösartiger, als ich gedacht hatte! Seinen besten Freund mit der Freundin zu hintergehen. Oh … das war wirklich …
    »Kati? Alles in Ordnung? Du bist schneebleich im Gesicht«, sagte Linda, aber ich hörte sie kaum.
    »Stirb langsam«, knirschte ich. Aus irgendeinem Grund raste mein Puls. Wahrscheinlich vor Wut. Der arme, arme Felix! Das hatte er nicht verdient. Und ich konnte auf keinen Fall zulassen, dass Lillian und Gereon weiter so auf seinen Gefühlen herumtrampelten. Ich würde …
    »Du hast eine SMS bekommen! Du hast eine SMS bekommen!«, plärrte mein Handy, und für einen Moment waren Felix und seine betrügerischen, falschen Freunde vergessen.
    Aber es war nur Hochzeitsplanerin Friedlinde, die schrieb: Die Band muss um spätestens 15 Uhr zum Soundcheck da sein, bitte weitergeben.
    Ach, die gute Friedlinde. Sie war fast so etwas wie eine Freundin geworden, inzwischen, wir waren ein tolles Team … Ach Unsinn, ich will Ihnen nichts vormachen: Die Frau hasste mich, schon allein wegen der Luchsenbichler-Lüge. Und weil sie so gern Tauben hätte fliegen lassen. Aber egal! Als Hochzeitsplanerin war sie wirklich brauchbar. Und unsere Sitzordnung war wasserdicht ausgeklügelt. Cousin Bertram saß nun nicht mehr gegenüber von Roberts gut aussehendem Arbeitskollegen und würde sich auch nicht von Frau Luchsenbichlers schwulenfeindlichen Äußerungen provoziert fühlen, weswegen er sein Outing hoffentlich verschieben würde. Für den Fall, dass nicht, würde ich ihn im Auge behalten und im Zweifel mit einem Pfirsich niederstrecken.
    Gerade als ich Friedlinde eine Antwort schicken wollte, spielte das Handy »Theo, wir fahr’n nach Lotsch« (es war mir bisher noch nicht gelungen, die Klingeltöne wieder zu löschen), und ich sah Mathias’ Namen im Display. Oh mein Gott! Er hatte bisher noch nie angerufen! Ich würde seine Stimme hören.
    »Haarrrgrooo!« Vor lauter Aufregung verunglückte mein »Hallo« ein wenig.
    »Kati? Bist du das?«, sagte Mathias. Ich hatte beinahe vergessen, wie sexy er klang. »Wie schön, dich zu hören!«
    Ich räusperte mich. »Und dich erst. Du klingst gar nicht so weit weg.«
    »Bin ich auch nicht. Ich bin wieder in Köln.«
    »Oh. Wie …« absolut wundervoll! Aber hatte er nicht gesagt, er würde vier Wochen bleiben? »… schön. Seit wann bist du denn wieder da?«
    »Seit zehn Minuten«, sagte Mathias, und da begann mein ganzer Körper vor Glück zu kribbeln. »Können wir uns sehen?«
    »Heute noch?« Wie gut, dass er nicht vor mir stand, ich grinste nämlich wie ein bekifftes Honigkuchenpferd.
    »Ja, heute und morgen auch, wenn es geht. Und übermorgen.« Im Hintergrund waren Lautsprecherdurchsagen zu hören. Er war offensichtlich wirklich noch am Flughafen.
    »Weißt du … Ich würde dich liebend gern treffen«, begann ich. » Gleichzeitig heiratet morgen meine große Schwester. In Münster.«
    »Oh«, sagte Mathias. »Das ist ja wieder mal mieses Timing. Da fliege ich extra früher zurück …«
    »Möchtest du mitkommen?«, brach es aus mir heraus. »Ich meine, es ist eine ziemlich eigenartige Familie, und ich weiß noch nicht, wie ich DIE TANTE davon abbringen soll, in der Kirche das Ave Maria zu singen, und außerdem kann es sein, dass ich mich insgesamt nicht von meiner besten Seite zeigen werde, weil ich gewissermaßen dafür verantwortlich bin, dass alles gut läuft, und wenn Cousin Bertram sich im entscheidenden Moment duckt, was ich ihm durchaus zutraue, treffe ich ihn vielleicht nicht mit dem Pfirsich, in Ballsportarten war ich schon in der Schule eine absolute Niete und ich habe auch keinewirklichschickenSchuheund …«
    »Ja«, sagte Mathias. »Ja, ich will.« Ich konnte hören, dass er lächelte. »Ich will gerne mitkommen zur Hochzeit deiner Schwester.«

Am Grab der meisten Menschen trauert, tief verschleiert, ihr ungelebtes Leben.
    Georg

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