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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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und seufzte noch einmal. »Nein. Eigentlich nicht. Weißt du, ich hatte mir für heute was vorgenommen, aber ich fürchte, ich schaff’s schon wieder nicht. Ich meine, ich will ihnen ja auch nicht den Abend verderben.«
    Ich legte vorsichtig eine Hand auf seinen Arm. »Ach Bertram! Du bist einunddreißig Jahre alt – wie lange willst du denn noch damit warten, deinen Eltern zu erzählen, was sie längst wissen?«
    Bertram starrte mich verdutzt an. »Was?«
    »Na ja – dass du schwul bist, das denken sie sich schon seit Jahren. Sie trauen sich nur nicht, dich darauf anzusprechen … Wirklich, es würde helfen, wenn du den ersten Schritt machst. Du wirst sehen, sie können damit viel besser umgehen, als du glaubst.« Ich lächelte ihn ermutigend an. »Und weißt du was? Ich wette mit dir um tausend Euro: Wenn du in ein oder zwei Jahren Pet…, äh, den Mann deines Lebens kennenlernst, werden sie ihn garantiert in ihr Herz schließen.« Ja, nicht nur das, sie werden ihn sogar viel lieber mögen als dich, den Peter, wir alle werden das, und du wirst vor Eifersucht ganz fuchsig werden, garstiger kleiner Bertram.
    Bertram glotzte immer noch verwundert. »Dass ich … seit wann weißt du das denn über mich?«
    Na, seit du das bei Evas Hochzeit herausposaunt hast. Aber eigentlich hätte ich es schon ahnen müssen, als du mit mir Zungenküsse geübt hast. »Seit etwa fünf Jahren«, sagte ich ehrlich.
    »Echt?« Bertram schüttelte den Kopf. »Und ich dachte, jeder hier würde aus allen Wolken fallen vor Überraschung.« Er zeigte auf das Päckchen in seiner Hand. »Ich hatte mir extra Verstärkung mitgebracht …«
    »Aus Alufolie?«
    »Quatsch. Das ist ein Hasch-Brownie. Aus einem Coffeeshop in Amsterdam. Damit wollte ich mir Mut anessen.«
    Ich nahm ihm das Päckchen aus der Hand. »Das brauchst du gar nicht, Bertram. Geh einfach rein und such dir ein ruhiges Eckchen, wo du mit deinen Eltern sprechen kannst.« Und bleib ja dem Mikrofon fern.
    Und was soll ich sagen? Zehn Minuten später sah ich, wie Bertram und seine Eltern sich umarmten, und mir wurde ganz warm ums Herz, als er mir zulächelte. Ich war sehr stolz auf mich. Und wieder hat Future Woman eine Familie glücklich gemacht und einen Eklat verhindert … Passend dazu spielte die Band »Somewhere over the rainbow«.
    Eva und Robert glitten eng umschlungen an mir vorbei, mein Vater tanzte mit Friedlinde, meine Mutter mit Onkel Anton, DIE TANTE mit sich allein. Ihr war die Carmen-Bluse halb über die Schulter gerutscht, und sie bewegte sich verführerisch, um Emils (oder Javiers) Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (wessen von beiden, war ihr egal). Und nach wie vor war sie stocknüchtern, zu nüchtern, um sich noch mehr danebenzubenehmen.
    »Javier und seine Jungs sind so großartig«, schrieb ich um Mitternacht Marlene in einer SMS. »Alle weiblichen Gäste sowie Cousin Bertram sind in sie verknallt und tanzen argentinischen Tango. Und ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt!«
    Das war ich wirklich.
    Na ja, jedenfalls wäre ich es gewesen, wenn es mir endlich gelungen wäre, diese ärgerliche Sache mit Felix, Lillian und Gereon auszublenden. Ich musste immer wieder daran denken, obwohl ich mir doch in der Kirche fest vorgenommen hatte, mich ganz auf Mathias zu konzentrieren.
     
    The Times They Are A-Changin’
Bob Dylan
     
    Aber selbst hier auf der Tanzfläche, in Mathias’ Armen gelang es mir nicht, nicht mal jetzt, als er mich herumwirbelte und küsste. Ehrlich gesagt, gerade jetzt gelang es mir nicht. Vielleicht küsste Felix ja auch in genau diesem Augenblick Lillians verräterische Lippen. Während sie an Gereon dachte und heimlich Vergleiche schloss. Armer, armer Felix, auf Gedeih und Verderb diesen beiden hinterhältigen Menschen ausgeliefert, die seine Gutmütigkeit schamlos ausnutzten und …
    »Alles in Ordnung?«, fragte Mathias.
    »Ja. Ja, alles bestens! Ich bin nur ein bisschen erschöpft«, sagte ich und überließ ihn meiner Schwester für einen Tanz, während ich zurück zu unserem Tisch schlenderte. Was war nur mit mir los? Da war ich nun endlich mit dem perfektesten Mann unter der Sonne zusammen – unglaublich gut aussehend, sexy, witzig, charmant – und anstatt es einfach nur zu genießen, zerbrach ich mir den Kopf über die Probleme anderer Leute! Vermutlich war nur der Hunger schuld. Ich hätte dringend einen Mitternachtssnack gebrauchen können, aber das Buffet war absolut leergefressen. Das letzte Stück Hochzeitstorte

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