Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Hitchcocks Vögel inspiriert. Nur Friedlinde guckte ein bisschen sauertöpfisch, aber dafür strahlte ich umso mehr. Und Mathias hielt meine Hand.
Danach begann es wieder zu regnen, und alle beeilten sich, zu ihren Autos zu gelangen. Dieses Mal hatte ich natürlich einen Schirm dabei.
Auf der Fahrt hatte ich Mathias, so gut es ging, auf die Verwandten vorbereitet, und er hatte behauptet, seine eigenen seien kein Stück besser. (Was ich nicht glauben konnte und ihm auch wirklich nicht wünschte. Nein, das wünschte ich nicht mal meinem schlimmsten Feind.) Natürlich wurde er neugierig von allen beäugt und mit Fragen bedacht (»Können Sie denn auch für die kleine Kati sorgen?«, fragte meine Oma), und Onkel Eberhard erwischte uns auf dem Parkplatz, kniff mich in den Arm und grölte: »Gut gemacht, altes Mädchen, dein Fang fährt einen wirklich teuren Schlitten.« Aber das nahm Mathias recht gelassen. Er zuckte auch nicht zurück, als Onkel Eberhard hinzufügte: »Hab mir doch allmählich Sorgen gemacht, dass du keinen mehr abkriegst! Nach Adam Riese müsstest du die Nächste vor dem Altar sein!« Oder als DIE TANTE im Vorbeigehen seinen Hintern tätschelte, ihr Haar in den Nacken warf und ihm zuzwinkerte. (Mir zischte sie zu: »Du wirst schon sehen, was du davon hast, Mopsgesicht!«)
Erst als meine Mutter ihn mit den Worten »Ach, Sie sind der Meteorologe!« begrüßte, herzlich umarmte und in sein Ohr flüsterte: »Vielen, vielen Dank für die geheimen Wetterdaten, wir werden selbstverständlich nichts verraten«, sah er vorübergehend verwirrt aus. Ich hätte das Missverständnis gerne aufgeklärt, aber in diesem Augenblick fiel mir siedend heiß ein, dass ich die Sache mit der …
»Wusch!«, machte es, und alle kreischten auf.
… Pfütze direkt vor uns vergessen hatte, in die Roberts Onkel Anton seinen Mercedes jetzt mit viel zu viel Schwung steuerte. Wie damals schon war das Kleid meiner Mutter mit Hunderten von Schlammspritzern verziert, Onkel Eberhard sah aus wie ein Streuselkuchen im Anzug, mein Trenchcoat war ruiniert, ich hatte einen dicken, braunen Punkt auf der Stirn – und die TANTE?
Die bekam völlig unpassend einen Lachanfall.
Das Glück ist im Grunde nichts anderes als der mutige Wille zu leben, indem man die Bedingungen dieses Lebens annimmt.
Maurice Barres
»Hilfe! Er erstickt!«, schrie jemand mit schriller Stimme, und für einen Moment war ich vor Schreck wie gelähmt. Roberts Onkel Anton lief erst rot und dann lila an.
Oh mein Gott! Ich hatte es vermasselt. Das Schicksal hatte wieder zugeschlagen. Dabei war ich ganz sicher gewesen, es überlistet zu haben, weil diesmal gar kein Fisch auf der Speisekarte stand.
Ich hätte gleich misstrauisch werden müssen, wo doch bisher alles so wunderbar glatt gelaufen war. Okay, von der Sache mit der Pfütze mal abgesehen. Aber so schlimm war das nicht, meine Mutter und Onkel Eberhard hatten es ja nicht weit bis nach Hause, um sich umzuziehen, und mein Kleid war zum Glück verschont geblieben, weil der Trenchcoat den Matsch perfekt abgefangen hatte.
Die Stimmung war bestens, die neue Sitzordnung perfekt, das Essen köstlich, die Musik ein Traum, die Dekoration ein Augenschmaus … und Mathias neben mir war von allem etwas. Er unterhielt sich nett mit den anderen Gästen, und zwischendurch schauten wir einander verliebt in die Augen. Nie allzu lange, denn ich musste immer mal wieder zu Cousin Bertram hinübersehen (alles ruhig) und auch DIE TANTE stets im Auge behalten (Sie trank ein Pils nach dem anderen und dachte, sie hätte jeden Moment wahnsinnig einen in der Krone. Aber was sie nicht wusste: Sie trank alkoholfreies Pils! Genial, oder?). Eva und Robert strahlten um die Wette vor Glück, und immer wenn ich sie ansah, war ich äußerst zufrieden mit mir. Genau so sollte es sein.
Die gemeinschaftliche Rede der beiden Trauzeugen – Evas beste Freundin Anke und Roberts alter Freund Ercan – war witzig und berührend, nur dass dieses Mal Frau Luchsenbichler nicht in eine feierliche Redepause hineinsagen konnte: »Nicht zu fassen, wie groß der Türkenbengel geworden ist!«, und sich niemand fremdschämen musste. Die Hochzeitstorte war ein Gedicht, und in einer regenfreien Viertelstunde hatten wir die Ballons fliegen lassen, und der Fotograf hatte noch ein paar wundervolle Schnappschüsse schießen können.
Als Evas Schwiegervater sich vorhin erhoben hatte, um seine Powerpoint-gestützte Rede zu halten, hatte ich mich nahezu entspannt
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