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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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samt dem kleinen Marzipanmarienkäfer darauf hatte sich Onkel Eberhard einverleibt.
    Ich war nicht die Einzige, die nach etwas Essbarem Ausschau hielt. Als ich an meinen Platz zurückkehrte, entdeckte ich das kleine Blumenmädchen – die Tochter von Evas zweitbester Freundin Frederike, übrigens –, das gerade dabei war, das Alupäckchen auszuwickeln, das ich von Cousin Bertram konfisziert hatte.
    Augenblicklich kam Leben in mich. »Haaaaalt!«, rief ich, als die Kleine den Brownie (oder DEN BROWNIE, wie er fortan heißen sollte) schon zum Mund führte. Und dann war ich bei ihr, packte das Handgelenk und schüttelte den verführerisch nach Schokolade duftenden Kuchen auf die Tischplatte zurück. Puh, gerade noch rechtzeitig.
    Das Blumenmädchen sah mich mit riesengroßen Augen an. Ihre Unterlippe bebte.
    »Das ist meiner!«, sagte ich heftig.
    »Aber …« Wieder griff sie danach. »Ich hatte noch keinen Nachtisch, und das ist Schokoladenkuchen, und den mag ich am liebsten.« Und, schwupps, schob sie ihn sich erneut in den Mund.
    »Neiiiin!« Dieses Mal gab ich ihr einen Klaps auf die Finger, und natürlich fing sie an zu weinen. Das hätte ich an ihrer Stelle vermutlich auch getan. Ich erinnerte mich mit Schrecken, wie sie sich damals auf DER HOCHZEIT wegen der Taube in die Niagara-Fälle verwandelt hatte, und ich versuchte verzweifelt, sie abzulenken. »In meiner Manteltasche habe ich noch Hustenbonbons, die schmecken viel besser als dieser blöden Brownie«, sagte ich, aber ihr Heulen wurde nur lauter und rief die Mutter auf den Plan. Auch Friedlinde eilte vom Nachbartisch herbei. Und überhaupt schienen plötzlich alle zu uns herüberzustarren. Und da tat ich etwas ausgesprochen Blödes: Ich schnappte mir den Haschkuchen, stopfte ihn mir blitzschnell in den Mund und knüllte das Alupapier zu einer kleinen Kugel zusammen. Als die Mutter und Friedlinde bei uns ankamen, war von dem Corpus delicti nichts mehr zu sehen. Während ich kaute und schluckte (Verdammt lecker, das Ding, sehr schokoladig, vielleicht war ja gar kein Hasch darin?), wischte ich mir die Krümel von den Lippen und flitschte die Alukugel unauffällig unter den Tisch.
    »Die Frau wollte mir nichts abgeben«, schrie das Blumenmädchen und zeigte mit dem Finger auf mich. »Und sie hat mich geschlagen!«
    Kleine Petze. Vielleicht hätte ich ihr den Brownie einfach überlassen sollen … Friedlinde sah jedenfalls so aus, als würde sie dem Kind glauben.
    Ich setzte meine allerschönste Unschuldsmiene auf. »Oh, oh, da ist aber einer sehr müde und hat schon Halluzinationen«, sagte ich. »Ich glaube, die kleine Maus hat meine Kopfschmerztablette mit einem Bonbon verwechselt.«
    »Es waren keine Bonbons, es war Schokoladenkuchen, und ich hab ihn gefunden«, jaulte die kleine Heulboje. »Und dann hat sie ihn sich einfach in den Mund gestopft.«
    Ja, genau! Um dich vor ungesunden bewusstseinsverändernden Substanzen zu schützen, du undankbares, kleines Biest. Oh Gott! Jetzt erst wurde mir klar, was ich getan hatte! War ich denn vollkommen verrückt geworden? Obwohl ich mich weiterhin um ein nachsichtiges Lächeln bemühte, bekam ich Panik.
    Ich hatte absolut null Erfahrung mit so etwas. Ein einziges Mal hatte ich an einem Joint gezogen, und da hatte ich einen grässlichen Hustenanfall bekommen und sonst gar nichts. Hektisch sah ich mich nach Cousin Bertram um. Wie lange würde es dauern, bis es zu wirken anfing? Und hatte ich vielleicht gerade eine Überdosis zu mir genommen? Würde ich etwa gleich nach dem Mikro schnappen und »Familie! Spießer! Heterosexuelle Arschgesichter! Hört, was Future Woman euch zu sagen hat!« brüllen? Was würde Mathias von mir denken?
    »Entschuldigt mich, ich muss mal dringend auf die Toilette.« Das nachsichtige Lächeln ins Gesicht getackert, schob ich mich an Friedlinde vorbei und verließ eilig den Saal. Wie es aussah, war der schöne Teil des Abends vorüber. Jedenfalls für mich.

Lieber, lieber Felix,
    wenn du eine Farbe wärst, dann wärst du braun. Ein gemütliches, schokoladiges, zuverlässiges, liebevolles Braun. Und manchmal auch ein Gelb, ein warmes, sonniges, fröhliches. Wenn du am Strand für fremde Hunde Stöckchen wirfst, zum Beispiel. Ich selber bin ein leuchtendes Orange. Hat mich überrascht, ehrlich, ich dachte, ich wär eher so ein gedecktes Blaugrau. Oder Flaschengrün.
    Unglaublich, diese Farben! Ich wünschte, du könntest sie sehen. Sie sind überall! Wunderschön. Alles ist

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