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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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wunderschön.
    Um mich herum wachsen lauter bunte Gedanken, und wenn ich will, kann ich sie pflücken wie Blumen.
    »Haben Sie Briefmarken, junges, pickliges, aber sehr hübsches Mädchen?«, fragte ich das junge, picklige, aber sehr hübsche Mädchen an der Rezeption. Wäre sie eine Farbe, dann ein zartes Türkis …
    Sie starrte mich an. »Postkarte oder Brief?«
     
    Ich würde niemanden Sex, Drogen oder Irrsinn empfehlen, aber für mich hat’s immer gut funktioniert.
Hunter S. Thompson
     
    »Brief«, sagte ich und beugte mich vertrauensvoll vor. »Wissen Sie, vorhin hatte ich den besten Sex meines Lebens. Ich kenne jetzt das Geheimnis. Es ist so … einfach ! Jeder sollte es kennen. Wenn Sie wollen, erzähle ich es Ihnen, wenn ich wiederkomme.« Ich drehte eine übermütige Pirouette. »Aber erst mal muss ich den Brief einwerfen, an meinen Mann. Können Sie die Briefmarke bitte mit auf die Rechnung setzen? Und noch eine Flasche Wasser, ja? Ich habe alles Wasser aus der Minibar leer getrunken. Weil der Mund so trocken ist. Vielen Dank! Bis gleich! Ich hab Sie li-hieb!«
    Ich hatte überhaupt alles und jeden lieb. Die ganze Welt hatte ich lieb. Die glänzenden Marmorfliesen des Foyers. Die lustige Drehtür. Die herrliche, frische Luft. Das geheimnisvolle Licht der Morgendämmerung. Den nassen Asphalt unter den nackten Füßen. Den Sprühregen, der mir ins Gesicht fiel. Und den entzückenden, gelben Briefkasten! Den hatte ich auch lieb. Er schluckte den Brief an Felix mit einem leisen Klacken, und ich musste lachen, weil es so witzig aussah, wie die gelbe Klappe hin- und herschwang. Dann hüpfte ich auf dem Bürgersteig zurück zum Hotel und summte und kicherte dabei vor mich hin. Na ja, genau genommen summte und kicherte ich gar nicht selber: Ich wurde gesummt und gekichert. Es war herrlich.
    Da hatte ich so alt werden müssen, um erleuchtet zu werden. Von einem Brownie, den es in unserem Nachbarland für schlappe 3,50 Euro legal zu erwerben gab. Das hätte man doch längst mal haben können!
     
    Wenn man mit 40 noch nicht drogensüchtig ist, wird man es auch nicht mehr.
Sting
     
    Ich trat mit Schwung durch die Drehtür, und weil es so schön war, drehte ich gleich zwei Runden. Und noch eine! Karussell!!! Hach! Das Leben war so, so wunderbar. Ein großartiges, funkelndes Mysterium, ein funktionierendes Geflecht aus unzähligen Möglichkeiten, das gerade wie ein offenes Buch vor mir lag. Es war nur schwer, nach den einzelnen Gedanken zu greifen, sie bogen sich wie regenbogenfarbene Weizenhalme in einem Feld unterm Wind, und manchmal bekam man einen ganz anderen zu fassen als den, nach dem man ursprünglich gegriffen hatte. Aber das machte nichts, die Hauptbotschaft hatte ich ja verstanden: Alles war gut, solange man liebte. Und zwar nicht nur alles und jeden, sondern vor allem sich selber! Jawohl. Es war so einfach wie genial.
    Leider war das junge, pickelige, hübsche Mädchen nicht an seinem Platz, um in das Geheimnis eingeweiht zu werden, also nahm ich meine Flasche Wasser vom Tresen und ging zurück ins Zimmer, wo Mathias tief und fest schlief und aussah wie ein Engel. Wenn er eine Farbe wäre, dann ein klares, königliches Kobaltblau. Ein unbeschreiblich schönes Blau. Oh, wie sehr, sehr ich ihn liebte! Glücklich kichernd schlüpfte ich neben ihm unter die Decke und schloss meine Augen.
    Wenn ich jetzt sterben müsste, dann wäre das zwar ziemlich schade, aber völlig okay. Das Leben war absolut vollkommen. Bis auf dieses doofe trockene Gefühl im Mund. Aber sonst! Alles, alles war gut. Sogar die Sache mit Felix hatte ich geregelt. Jetzt lag es bei ihm zu entscheiden, was er mit den Informationen anfing.
    Es ist vier Uhr morgens, und ich bin hellwach, weil ich Cousin Bertrams Outing-Brownie gegessen habe. Ich hab versucht, ihn auf dem Klo wieder auszukotzen, aber es ging nicht. Weiß nicht, wie Leute es schaffen, sich den Finger so tief in den Hals zu stecken.
    Ich war am Boden zerstört gewesen. Mein schönes, romantisches Wochenende – mit einem unbedachten Happs hatte ich es ruiniert.
    »Wir müssen hier weg!«, hatte ich zu Mathias gesagt, nachdem das mit dem Erbrechen nicht geklappt hatte. Die Panik in meiner Stimme hatte ich nicht unterdrücken können, und ich war den Tränen nahe, als ich ihn von der Tanzfläche zog. »Ich habe aus Versehen einen Haschbrownie gegessen, und der kann jeden Augenblick anfangen zu wirken. Bertram sagt, er wirkt bei jedem anders, und ein halber hätte auch

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